Salva Kiir – ein Christ an der Spitze des Südsudan
Die Hitze drückt mit roher Gewalt auf Rumbek. Monate nach dem letzten Regen ... Monate vor dem nächsten Regen ... Die unbefestigte Savannenstrasse vom Flughafen in die Stadt ist der Rallyestrecke Paris – Dakar zum Verwechseln ähnlich. Eng zusammengepfercht, sitzen wir im unklimatisierten Geländewagen.
Mehrmals wurde Rumbek, die neue Hauptstadt des Südsudan, vom Norden des Landes dem Erdboden gleichgemacht. Die Spuren sind noch zu sehen. Und auch Soldaten der SPLA (Sudan People Liberation Army). Einige von ihnen bewachen das Quartier von Salva Kiir. Er ist zu diesem Zeitpunkt noch Vizepräsident der SPLM. Sie hat den Friedensvertrag mit Khartum unterzeichnet.
Freundlich heisst uns Salva Kiir auf seinem Anwesen willkommen. Er wohnt nicht in einer Luxusvilla. Er lebt wie die meisten anderen Menschen hier in einem zweckmässigen Betongebäude. Keine Teppiche auf dem Boden, keine Scheiben in den Fenstern, sondern einfach ein Fliegengitter.
Der Mann aus dem Volk
Das Bier ist warm. Kühlschränke gibt es in Rumbek einen, vielleicht zwei. Und die gehören nicht Salva Kiir. – «Die UNO ist kein Friedensbringer», sagt Kiir. «Sie sind ein Friedenssicherer.» Er selbst stammt aus dem Bahr El-Ghazal, der ärmsten Gegend des Landes. Jahrelang hatte der Norden immer wieder Sklaven von dort geholt. Ob ich schon aufnehme, fragt die damalige Nummer Zwei des Südens. «Ja.» Gelächter. Über John Garang sprechen wir nicht.
Garang wollte Präsident werden
SPLM-Präsident Garang war zu diesem Zeitpunkt gerade zum künftigen Vizepräsidenten ernannt worden – das Amt trat er im Juli 2005 an. Seine Ambitionen galten dem Regierungssitz von Diktator Omar el-Bashir. Dies war freilich nichts als ein Hirngespinst. Dass ein schwarzer Südsudanese auch über den arabischen Norden herrscht, wäre das 1002. Märchen aus «1000 und 1 Nacht». Und selbst diese Erzählungen sind geografisch ein paar Hundert Kilometer nordöstlich von Khartum anzusiedeln.
Garang, selber ein Diktator mit blutigen Fingern, wollte einen vereinten Sudan sehen. Im Jahr 2011, also in sechs Jahren, können die Südstaatler über ihre Unabhängigkeit entscheiden. Zur Zeit ist eine überwältigende Mehrheit gegen die Einheit und für einen unabhängigen Süden.
Der Mann für das Volk
Garang musste sich jahrelang vorwerfen lassen, den Bahr el-Ghazal nur unzureichend gegen die Sklavenüberfälle verteidigt zu haben, obschon rund zwei Drittel seiner Armeeangehörigen in diesem Gebiet rekrutiert wurden. Im Gespräch mit Salva Kiir verloren wir darüber keine Worte. Sondern wir sprachen über die Hungersituation. Damals war sie absehbar. Inzwischen ist sie sehr ernst geworden.
UNO-Generalsekretär Kofi Annan kritisierte die Weltöffentlichkeit, daß sie sich zu wenig für den Südsudan einsetze. Gemäss Gunnar Wiebalck von CSI* sieht die Lage zur Zeit so aus: «Wir waren letzten Monat in Marol Deng Geng, das liegt in Aweil North, wohin sich zirka 5000 Menschen aus Darfur geflüchtet haben. Sie sassen an kleinen Feuerstellen im Wald und zerkochten Blätter zu Spinat. Die Gefahr eines Massensterbens ist bis zum Zeitpunkt einer eventuellen Ernte nächsten Monat nicht gebannt.»
Das Desaster
Durch den Frieden, der am 9. Januar 2005 geschlossen wurde, kommen Tausende ehemaliger Sklaven und Flüchtlinge zurück in den Süden. «Wenn sie alle kommen, haben wir ein Desaster», sagte Kiir damals zu Livenet.ch. Viele sind gekommen. Das Desaster ist da.
Für die Menschen ist Kiir aber eine Hoffnung. Im christlichen und animistischen Süden des Landes ist er zwar nicht der Messias, aber er glaubt an den Messias. Er ist Christ. Sein Vornamen Salva ist kein Stammesname, sondern ein christlicher Name, während Kiir übersetzt «Fluss» heisst. Salva Kiir will den Weg des Friedens weitergehen. Mit ihm wird die Stimme der Armen lauter werden.
* CSI ist die Abkürzung für Christian Solidarity International
Weiterführende Links zum Thema:
Frieden im Südsudan – oder: Ist der Sauber-Sponsor jetzt sauber? (ein Interview mit Salva Kiir)
Dossier Sudan www.livenet.ch/www/index.php/D/article/493/18530/
Dossier Südsudan: www.sudan.livenet.ch
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch