Zurück zu den Wurzeln
Spontantaufe – mehr als ein Trend
Immer mehr evangelische Landeskirchen bieten die Möglichkeit, sich oder seine Kinder bei sogenannten «Drop-In-Taufen» spontan taufen zu lassen. Was ist davon zu halten?
Es stand in der Tageszeitung, im Supermarkt um die Ecke lag ein Flyer aus und dann brachte auch noch das Radio einen Bericht darüber: Die Neue Johanneskirche Hanau bot am Samstag, den 17. September vier Stunden lang die Möglichkeit, sich spontan zu einer Taufe zu melden– «Personalausweis genügt». Die vier Pfarrerinnen und Pfarrer, die die Aktion durchführten, hatten alle Hände voll zu tun bzw. im Wasser, denn ein gutes Dutzend Menschen nahm das Angebot gerne an. Zunächst gab es ein Vorgespräch, dann die Möglichkeit, sich eine Taufkerze selbst zu gestalten, die Täuflinge konnten sich ein Lied heraussuchen und schliesslich kam die eigentliche Taufzeremonie.
Eine Idee aus Skandinavien
Die Idee, «Drop-In-Taufen» durchzuführen oder sogar spontan kirchliche Trauungen anzubieten, kommt ursprünglich aus Skandinavien. Besonders in Norwegen und Dänemark erfreut sich das Format wachsender Beliebtheit; so erklärt das Bistum Kopenhagen auf seiner Website, seit 2017 bereits 1'000 solcher Taufen durchgeführt zu haben. Am letzten Wochenende fand in Hamburg die «Nacht der Kirchen» statt, wo an der Aussenalster unbürokratisch Taufen und Trauungen auf dem Schiff angeboten wurden. «Hier können sich Paare trauen und Suchende taufen lassen, hier können Ehen und Freundschaften gesegnet werden», bewarb dies der Flyer zur Aktionsnacht. Weil Aktionen wie diese nicht nur mediale Aufmerksamkeit generieren, sondern vor allem Täuflinge anziehen, wird der Trend zur Spontantaufe sicher weitere Kreise ziehen.
Kritik am «Verramschen» der Taufe
In einem Pro & Contra zum Thema Spontantaufen fragte das Nachrichtenmagazin Idea: «Wird die Taufe dabei verramscht?». Dabei kritisierte Heinrich Derksen, Rektor des Bibelseminars Bonn, dass bei solchen Spontantaufen Menschen getauft würden, «die weder wirklich ihre Sünden bereuen und bekannt haben noch den Preis der Nachfolge kennen». Der Theologe befürchtete, dass sich «Menschen aufgrund von Emotionen oder sogar falschen Informationen wie bei Werbeveranstaltungen taufen» liessen. Andere bemängeln, dass das Taufen «aus einer Laune heraus» dem sakramentalen Charakter der Taufe widersprechen würde.
Freude an einem niederschwelligen Angebot
Die Theologin Andrea Seeger entgegnet solchen Vorwürfen: «Kaum jemand wird sich freitagsabends entschliessen, sich samstags taufen zu lassen.» So spontan, wie das Angebot klinge, sei es in der Praxis gar nicht. Viele würden den Gedanken daran bereits seit Jahren mit sich herumtragen.
Die Täuflinge in der Hanauer Neuen Johanneskirche scheinen dies zu bestätigen. Petronella Helm (75) berichtet, dass es «bis zu ihrer Taufe ein langer Entscheidungsprozess gewesen» sei. Sie habe schon lange den Wunsch verspürt, sich taufen zu lassen. Als sie im Radio von der Aktion hörte, fuhr sie spontan die 100 Kilometer nach Hanau. «Ich finde es toll, dass es so eine Möglichkeit gibt», erklärte sie. Ähnliches berichten Eltern, die ihr Kind wegen der Pandemie noch nicht taufen konnten oder wollten. Pfarrerin Margrit Zahn aus Hanau ergänzt: «Einige erzählten, sie hätten einfach keine Paten gefunden.» So waren es sehr unterschiedliche Beweggründe, die Menschen in Hanau zur «Drop-In-Taufe» geführt hatten, aber nicht die kritisierte unreflektierte Spontanentscheidung.
«Hier ist Wasser!»
Die Landeskirche gewinnt mit der «Taufe to go» ein spontaneres Taufverständnis. Freikirchen tun sich damit naturgemäss etwas leichter als Landeskirchen, die eine Taufe gern als Sakrament zelebrieren, dabei aber manchmal in ihren eigenen Formen erstarren. Zu biblischen Zeiten war die Taufe dagegen etwas viel Wesentlicheres und gleichzeitig viel beiläufiger. Taufe stand für den radikalen Neuanfang mit Jesus Christus und bedeutete oft den Ausschluss aus dem bisherigen familiären und gesellschaftlichen Kontext. Gleichzeitig geschah sie viel formloser als heute – fast nebenbei. Die Apostelgeschichte erzählt davon, dass ein äthiopischer Minister bei seinem Besuch in Jerusalem erst einen Teil der Bibel kaufte und darin las, dann begegnete er dem Christen Philippus, der ihm Gottes Wort erklärte. Während sie miteinander unterwegs waren und über den Glauben diskutierten, fuhren sie an «einem Wasser» vorbei. Da wandte sich der Minister an Philippus und erklärte pragmatisch: «Siehe, da ist Wasser; was hindert's, dass ich mich taufen lasse?» (Apostelgeschichte, Kapitel 8, Vers 36)
Es gibt unterschiedliche Taufverständnisse, und es wird sie immer geben. Doch das Angebot einer «Drop-In-Taufe» ist deutlich mehr als ein Modetrend. Es ist der Weg zurück zu einem Taufverständnis, das nicht länger von Formalitäten bestimmt ist, sondern von dem Wunsch nach einer Begegnung mit Jesus Christus. Pastorin Meike Barnahl sieht laut Idea genau hier ihren Auftrag, «Wege zu ebnen, Hindernisse aus dem Weg zu räumen zwischen Gott und seinen Menschen». Und diejenigen zu taufen, die getauft werden möchten.
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Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet