Tiefe Trauer auf der Alp
Wenn das Lieblingsschaf stirbt
Der Pastor und Bio-Bergbauer Stephan Maag züchtet Schafe und erlebt dabei in seinem Alltag packende Parallelen zum geistlichen Leben. Im sechsten Teil dieser Livenet-Serie beschreibt er den Tod seines Lieblingsschafes Pünktchen.
Wie es bei den Schafen so ist: Sie leben nicht ewig. Pünktchen, mein Lieblingsschaf, haben wir schon früher kennengelernt. Es ist das Schaf, das ich damals von der Alp heruntergetragen habe (Livenet berichtete). Es hatte sich damals das Bein gebrochen und war danach den ganzen Sommer über bei uns unten, konnte frei auf dem Hof herumlaufen und mit den Kindern spielen. Pünktchen war so zutraulich, dass man ihm rufen konnte und es lief einem einfach hinterher.
Das Schaf bereitete uns jede Menge Freude. Und als mehr und mehr Schafe zu unserem Hof dazustiessen, war Pünktchen das Schaf, welches die Herde mitzog, wenn ich nach ihnen rief. Pünktchen begann immer gleich zu rennen und die anderen folgten. Denn Pünktchen wusste, dass der Hirte es gut mit ihm meint. Es hatte völliges Vertrauen zu uns – es war fast mehr Teil der Familie als ein Schaf.
Idylle auf dem Hof
Die Kinder und wir Eltern hatten grosse Freude an ihm. Jeden Morgen, wenn ich den Stall ging, freute ich mich, es zu sehen. Und immer, wenn ich auf die Weide hinunterblickte, sah ich es umherspringen, es war ein ganz lustiges Tier.
Wie jeden Tag kontrolliere ich am Abend durch einen Rundgang um den Hof, ob alles in Ordnung ist, ob alle Tiere im Stall sind und ob der Zaun noch fest ist, damit die Tiere geschützt sind. Und im Winter, wenn sie im Stall sind, schaue ich, ob alles schön zu ist und sie Wasser und genügend Heu haben.
Es ist immer ein schönes Gefühl, wenn man am Abend durch den Betrieb geht, sich die Tiere noch einmal anschaut, die Wiese und das Heu riecht und dann hinein in das warme Haus geht, ein paar Scheite auflegt, das Feuer knistert und man so ins Bett geht.
Pünktchen schleicht sich hinaus …
Leider unterlief mir eines Tages ein Fehler. Ich machte ein Törchen nicht richtig zu. Und weil Pünktchen so oft bei Menschen war, wusste es genau, wo das gute Futter ist. Um die Schafe anzulocken, nehmen wir jeweils besonders gutes Getreide und Kraftfutter.
Durch diesen Fehler schlich sich Pünktchen in der Nacht hinüber zu diesem Sack und frass die ganze Nacht daraus. Am Morgen war es extrem gebläht. Schafe sind Roh-Futter-Fresser und vertragen nicht zu viel von diesem Getreide. Deshalb liess ich es schnell auf die Wiese hinaus und hoffte, dass wenn es genug von der Wiese nimmt und sich die Blähung lösen kann und es wieder gesund wird.
Zu viel Kraftfutter
Aber Pünktchen hatte so viel Kraftfutter gefressen, dass es an Kraftfutter-Überfressung starb. Das war für uns natürlich traurig und mich machte es besonders betroffen, weil es mein Fehler war und ich einmal mehr spürte, wie sehr ich diese Schafe liebe.
Genauso fest liebt Gott jeden Menschen, ganz egal, was er tut und ganz egal, woher er kommt. Gott liebt jedes Schaf. Das können wir auch in Johannes Kapitel 10 lesen.
Es brachte mich aber auch ins Nachdenken. Ganz viele Menschen fressen sich ebenfalls voll. So lesen wir beispielsweise in Sprüche 23, Vers 21: «Denn die Säufer und Schlemmer verarmen, und ein Schläfer muss zerrissene Kleider tragen.» Oder 1. Korinther Kapitel 3, Verse 16-17 hält fest: «Wisset ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? So jemand den Tempel Gottes verderbt, den wird Gott verderben; denn der Tempel Gottes ist heilig, der seid ihr.»
Achten, mit was man sich «vollfrisst»
Das heisst, wir sollen uns mit Gott füllen: mit seiner Identität, mit Bibel lesen, mit Austauschen, mit Worship, mit Gebet; ich mache lange Spaziergänge, auf denen ich mit Gott rede.
Aber oft fressen wir uns mit sozialen Medien zu, mit Filmen, Netflix, mit Hobbys, sinnlosen Beschäftigungen, Essen, Trinken – Dinge, die uns gar nicht helfen. Irgendwann sterben wir spirituell, weil wir nicht mehr auf den Hirten hören, der uns zum guten Futter bringt.
Das lehrte mich Pünktchen: dass es wichtig ist, was ich mir zuführe, spirituell und körperlich. Dass ich ein Leben führen soll, in welchem ich acht gebe auf den Körper, die Natur und besonders, womit ich mich «vollfresse».
Zu vorherigen Teilen der Serie:
Die Ernte ist reif: Lebensrettende Hechtrolle unter Heulader hervor
Der ohne den Wolf weidet: Wie der gute Hirte seine Herde vor dem Mörder beschützt
Alles ist bezahlt: Die Geburt der Lämmer
Autor: Daniel Gerber / Stephan Maag
Quelle: Livenet