Zahlen und Menschen
Gerda D. Hohaus: «Ganz oder gar nicht!»
Gebet, Umgang mit Zahlen, Liebe zu Israel, Aufbau von Strukturen und eine Schule für Berufung scheinen wenig miteinander zu tun zu haben, doch Gerda D. Hohaus engagiert sich mit vollem Herzen dafür.
Die gebürtige Norddeutsche hatte schon früh ihre ersten Begegnungen mit dem Glauben: Ihre Eltern und auch die Grossmutter waren Christen, die «nicht nur fromm redeten, sondern deren Glaube sie im Leben trug, aber sich auch praktisch äusserte». Dazu gehörte für sie auch der Einsatz für Menschen in Not. Am Tag vor ihrem zehnten Geburtstag beschloss Gerda daher, dass sie auch mit Jesus durchs Leben gehen wollte.
Als junge Erwachsene kam noch einmal eine Phase, wo sie alles auf den Prüfstand stellte. Einige schlechte Erlebnisse mit Christen liessen sie zweifeln, ob das für sie die richtige Zukunft wäre, doch Gott zeigte ihr unmissverständlich, dass er vertrauenswürdig war. Damals entschied Gerda für sich: «Ganz oder gar nicht – und ich will Jesus ganz nachfolgen.»
Wenn die Augen nicht mehr mitspielen
In den nächsten Jahren engagierte sich die aktive junge Frau in der Frauen- und Jugendarbeit ihrer Gemeinde und darüber hinaus. Sie schloss eine Ausbildung in der Landesfinanzverwaltung ab, danach ein Studium zur Finanzwirtin und hatte dort einen guten Job. Parallel zu ihrer Arbeit mit Zahlen und Tabellen war sie damals bereits für die Auszubildenden zuständig. «Eigentlich hätte es so bleiben können», meint sie heute, «doch Gott hatte offensichtlich andere Pläne.»
Das zeigte sich allerdings nicht an einem neuen Berufswunsch, sondern durch eine Augenkrankheit. Gerda litt an einer schweren Augenerkrankung, die ihr den weiteren Dauereinsatz am Bildschirm unmöglich machte. Fast dreissigmal wurde sie operiert und streckenweise war sie über Wochen hinweg blind. Im Nachhinein weiss sie: «Diese besonderen Zeiten, in denen ich mit Gott allein war und nichts tun konnte, haben mich stark geprägt.» So entschied sie sich mit 31 Jahren für den damals noch möglichen Ausstieg wegen Dienstunfähigkeit. Nur einen Ruhestand konnte sie sich nicht vorstellen. «Ich wusste nicht, wie es weitergeht, aber es war mir klar, dass dieser Sprung dran war.»
Unterwegs mit der «Tafel»
Während sich die frischgebackene Pensionärin fragte, wie es weitergehen könnte, stiess sie auf einen Zeitungsbericht über «Die Tafeln» in Deutschland – die gemeinnützige Organisation gründete gerade eine Zweigstelle in ihrem Wohnort – und Gerda D. Hohaus war mit von der Partie. Sie legte Hand an, organisierte, managte und sprach mit Hilfeempfängern und dem Bürgermeister. Dann klingelte ihr Telefon. Im Landesvorstand hatte man ihre Qualifikation gesehen und fragte nach, ob sie sich ein stärkeres Engagement vorstellen könnte. Das konnte sie – und so war sie bald darauf im Landes- und ein Jahr später im Bundesvorstand der Tafeln. Einiges konnte sie hier organisatorisch neu aufstellen, denn die gemeinnützige Organisation war schneller gewachsen als ihre Strukturen, doch nach Jahren intensiver bundesweiter Tafel-Arbeit fragte sie sich, ob ihr Platz hier auf Dauer wäre. Gern wollte sie international arbeiten, wenn möglich mit Bezug zu Israel.
Ein Kaffee war schuld
Gerda besuchte in dieser Zeit den «Kongress christlicher Führungskräfte». Dort kam sie am Stand von «Global Aid Network» (GAiN) mit den Mitarbeitern des Giessener Hilfswerks ins Gespräch. Sie boten ihr eine Tasse Kaffee an und unterhielten sich über mögliche Aufgaben bei GAiN. Am nächsten Tag war sie wieder am Stand, «zunächst einmal, weil der Kaffee so gut war!», doch als sie dabei von der Arbeit erfuhr, die das Hilfswerk gerade in Israel unter Holocaustüberlebenden begann, wusste sie: «Hier bin ich richtig.»
Ein paar Gespräche und Monate später war sie angestellt und betreute die Arbeit im Heiligen Land. «In fünf Jahren Netzwerksarbeit lernte ich sehr viel über die Zusammenarbeit mit Israelis – es war sehr herausfordernd und gleichzeitig wunderbar.» Die Arbeit von GAiN, in der sich Gerda engagierte, wurde damals sogar von der Knesset ausgezeichnet, doch ihre Gesundheit machte ihr wieder einmal einen Strich durch die Rechnung. Sie musste aufhören.
«Du sollst für mich auf Reisen gehen»
Erst einmal brauchte sie Abstand und Ruhe. Doch das bedeutete nicht, dass Gerda nichts tat. Oft wusste sie vor Schmerzen nicht aus noch ein, doch sie sah so viele Möglichkeiten, Gottes Reich zu bauen: Neben der Mitarbeit in ihrer Gemeinde gründete sie zusammen mit anderen eine Gebetshausarbeit. Daraus erwuchs ein Leitertraining und eine Schule für Berufung. Im Rahmen des Vereins «Life for the Nations» fand dies in der Gegend von Kiel in Norddeutschland statt.
Eine Weile danach hörte Gerda Gottes Reden: «Ich will, dass du wieder für mich auf Reisen gehst.» So begann bzw. strukturierte sie ähnliche Trainings für apostolische Leiterschaft in Rumänien, Österreich und sogar in Ägypten.
Mit Zeichen Zeichen setzen
Über die Jahre hatte Gerda immer Kontakt zu einem Mitarbeiter des jüdischen Hilfswerks «Keren Hayesod» gehalten. Jetzt fragte er sie an: «Könntest du dir vorstellen, uns bei einer Crowdfunding-Aktion für traumatisierte Kinder in Sderot zu unterstützen?» Innerlich schrie alles in ihr Ja, doch sie sagte zunächst: «Das muss ich mir noch überlegen.» Sekunden später rief er schon wieder an: «Ich habe ganz vergessen, dir zu sagen, dass es da auch noch ein Stellenagebot für dich gibt…» Seitdem arbeitet sie für das älteste und grösste jüdische Hilfswerk in Jerusalem, weil die Juden, die es betreiben, gemerkt haben, dass sie Zugänge zur christlichen Welt brauchen – und Brücken bauen und Menschen vernetzen tut Gerda für ihr Leben gern.
Ihr aktuelles Projekt hat viel mit der Bibel und konkreter Hilfe zu tun. Mit einem einzigartigen Ansatz sammelt das Hilfswerk Unterstützer für Holocaustüberlebende und Flüchtlinge aus der Ukraine. Wer sich für sie engagieren will, kann dabei wahrsten Sinne des Wortes ein Zeichen setzen, indem er einzelne Buchstaben einer Torarolle «adoptiert» und dadurch Menschen in Not unterstützt.
Ruhestand?
Was Gerda D. Hohaus tut, hat immer etwas mit Menschen zu tun, mit Zahlen, mit Gebet, mit Berufung, mit klaren Strukturen und mit Israel. Dabei weiss sie genau: «Nicht ich tue das alles, sondern Gott, der meine Hände füllt.» Dabei denkt sie noch lange nicht an Ruhestand. «Meinetwegen könnte das so weitergehen, bis ich 80 bin.»
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Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet