Nicht mehr «Zigeunermission»
Roma: «Die Bibel ist für uns geschrieben worden!»
Seit 1913 setzt sich die«SZM-MTS» (bisher «Zigeunermission») für Roma oder Fahrende ein. Von Portugal bis Indien steht das Werk den verschiedenen Volksgruppen bei und beobachtet ein steigendes Interesse am Evangelium.
«Wir existieren seit 1913 als kleine Mission, es ist schwierig, Freunde zu finden, da die Arbeit unter Zigeunern verpönt ist», erklärt Präsident Urs Gassmann. «Während Erntezeiten hiess es früher zum Beispiel, dass arbeitssuchende Zigeuner sich den Feldern nicht nähern sollen», analysiert Gassmann. «Viele Menschen machten schlechte Erfahrungen mit ihnen.»
Gassmann persönlich erlebte in all den Jahren ein einziges schlechtes Erlebnis. «Deswegen will ich meine Einstellung nicht ändern.» Gleichzeitig stellt Gassmann eine Diskrepanz fest: «Jene, die sie ablehnen, sind oft die gleichen, die sagen, man solle nicht das Wort 'Zigeuner' verwenden, weil dies abwertend sei. Gleichzeitig aber nennen sich all jene aus diesen Menschengruppen, mit denen wir arbeiten, selbst stolz 'Zigeuner'. Es ist aber weitgehend aus dem Sprachgebrauch verschwunden. In Deutschland spricht man von 'Sinti und Roma' aber es gibt viele andere Stämme, die bei dieser Begrifflichkeit nicht eingeschlossen sind. Manche sprechen von 'Fahrenden', dabei aber geht vergessen, dass nur fünf Prozent wirklich Fahrende sind, die anderen 95 Prozent leben alle in Häusern.»
Bedeutung des Namens
Auf Anregung von Mitgliedern wurde nun eine Namensänderung vollzogen, neu heisst das Werk «SZM-MTS». Urs Gassmann: «Es ist die Abkürzung der bisherigen Namen, gefüllt mit den bisherigen Zielen. 'S' steht für 'Solidarität leben', 'Z' für 'Zeugnis sein' und 'M' für 'Minderheiten stärken'. Und im Französischen steht 'MTS' = Fortivié les minorités, Etre Témoignage, Vivre la solidarite – und die Zeitschrift heisst: 'SZM News MTS'.»
Oft sind in den Gemeinden dieser grössten Minderheitsgruppe Europas auch andere Einheimische dabei, allerdings ist die Kultur anders, beispielsweise ist die Musik und der Stil sehr lebendig, was manchmal dazu führt, dass andere Einheimische in eine andere Gemeinde wechseln.
«Zigeuner sind offener»
«Mit der Pastorin Katarina Nikolic konnte ich in Srbobran eine Gemeinde gründen, sie machte bei der EMK die Ausbildung zur Pfarrerin und ist die wohl weltweit erste und einzige Zigeunerpastorin», gibt Urs Gassmann einen Einblick in die Arbeit von «SZM-MTS».
Das Werk arbeitet mit einheimischen Missionaren, «sie haben ein Herz für verlorene Menschen. Die Zigeuner sind offener und oft enttäuscht von ihren Landeskirchen, oft werden sie eher 'ausgesogen' und müssen für die Amtshandlungen bezahlen.» Die Partner des Werkes gehen auch zu den Ärmsten, oft Roma, und unterstützen sie.
«Die Bibel ist für uns geschrieben worden»
Oft sagen Menschen aus den verschiedenen Zigeuner-Volksgruppen: «Die Bibel ist vor allem für uns geschrieben worden.» Urs Gassmann erklärt: «Die Gleichnisse von Jesus, die armen Witwen, das Gleichnis vom Sämann – in dieser Weise arbeiten sie immer noch. Sie züchten Schafe und können Fleisch verkaufen. Manche sind Tagelöhner, auch diese kommen in der Bibel vor.»Manche ernähren sich aus Containern, von Dingen, die andere weggeworfen haben. «Und sie erhalten Kleidersäcke von den Behörden.» Problematisch sei, dass manche ihre Verdienste in Zigaretten und Alkohol «investieren». «Erst durch Jesus finden sie eine Einsicht und die Kraft, damit aufzuhören. Viele sind wegen ihres Lebensstils auch krank.»
Arbeit auch in Indien
«SZM-MTS» arbeitet auch unter den verschiedenen Zigeuner-Gruppen in Indien, der Subkontinent gilt als Ursprungsort der Zigeuner. «Ausserdem leben viele Roma in Spanien, dort geschieht unter ihnen eine grosse Erweckung.»
Zu den nächsten Schritten gehört, «dass bald ein rumänischer Roma-Pastor Partner unserer Mission wird. Es gibt unter den Christen dieser Volksgruppen viele Sprachtalente und sie lassen sich schulen. Wir machen Retraiten, ihr Bibelwissen ist gross.»
Unter anderem führt das Werk auch ein «Schweinchen-Projekt»: «Sie züchten Schweine und müssen davon jeweils eines oder zwei weitergeben.»
Glaube oft auch Strohhalm
Oft ist der Glaube für viele Zigeuner der letzte Strohhalm, beobachtet Urs Gassmann. Gleichzeitig gibt es Gemeinden mit bis zu 300 Menschen. «Wir machen kleine Schritte, aber viele Regentropfen ergeben einen Ganges.»
Er selbst ist vor allem in Serbien tätig. «Das Land verzeichnet den grössten Bevölkerungsrückgang in Europa: Jetzt leben rund sieben Millionen Menschen im Land, das sind eine halbe Million weniger als vor zehn Jahren. Was die Roma betrifft, sind rund die Hälfte von ihnen arbeitslos.»
Wichtig ist, dass sie so angenommen werden, wie sie sind. «Viele von ihnen seufzen und grübeln viel. Gut ist, wenn man sie nicht sitzen lässt, sondern mal ein Brot oder einen Sack Reis bei ihnen lässt. Mit Gottes Hilfe gibt es immer einen Ausweg aus dem Elend.» Gleichzeitig sei das Engagement der Christen in der Volksgruppe gross: «Sie fahren mit dem Fahrrad bis zu 60 Kilometer, um zu predigen.»
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Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet