Weniger Geschütz, doch...

Druck auf Pastoren der Ostukraine bleibt

Auch wenn es ruhiger geworden ist: Zur Ruhe gekommen ist die Ukraine noch nicht. Schwierig ist die Lage für die evangelischen Christen im Osten des Landes. Wegen den Rebellen, die nur die russisch-orthodoxe Kirche goutieren, geraten sie unter Druck – ohne aber aufzugeben.

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Insbesondere Alte, Kranke und Eltern mit kleinen Kindern harren bis heute in der umkämpften Ostukraine aus.
Laut der UNO sind im Krieg zwischen Russland und der Ukraine mittlerweile 9'300 Todesopfer gezählt worden. 1,2 Millionen Menschen sind geflohen. «Etwas mehr als die Hälfte davon sind nach Russland gegangen», weiss Linus Pfister, Geschäftsführer der «HMK Hilfe für Mensch und Kirche» mit Sitz in Thun. Viele sind mittlerweile ernüchtert. «Ihnen half die russische Regierung teils nur ein paar Monate und teilte dann mit, dass das Programm ausgelaufen sei und sie jetzt selbst schauen müssen. Nun sehen sie, dass die Nation, die sich als ihr 'Mutterland' darstellte, sie nur als Manövriermasse in einem geopolitischen Konflikt brauchte.»

Zumindest werde die Waffenstillstandslinie, wie im Minsker-Abkommen festgehalten, im Prinzip gehalten, «aber die Kämpfe sind nie richtig eingestellt worden. Praktisch jeden Tag wird mit leichten Waffen geschossen.»

Wenigstens sei die schwere Artillerie weit hinter die Frontlinie zurückgezogen worden. Für die Einwohner in der Ukraine sei das Leben schwer geworden, die Wirtschaft sei in der Ostukraine praktisch zum Erliegen gekommen, vieles sei zerstört. «Strom und Wasser funktionieren in den Rebellengebieten nur teilweise. Ein normales Wirtschaftsleben wie vor dem Krieg ist praktisch unmöglich, es gibt kaum Arbeit. Das erklärt, warum sehr viele Leute dieses Gebiet verlassen haben. Wer mobil ist, ist gegangen. Zurückgeblieben sind viele Menschen, denen das Geld zum Wegziehen fehlte, sowie Kranke, Alte und Eltern mit kleinen Kindern.»

Druck auf Pastoren

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Militärfahrzeug in der Ostukraine
Angespannt sei überdies das kirchliche Leben. «Aus Sicht der Rebellen ist klar, dass nur die russisch-orthodoxe Kirche zu existieren hat. Evangelische Kirchen werden als Alliierte des Westens und als dekadent angesehen.» Zumindest lässt man die Gemeinden einigermassen gewähren. «Der Druck auf die Pastoren ist jedoch da, die Linie der Rebellen zu unterstützen. Wer es nicht tut, dem droht Verhaftung, Prügel oder Schlimmeres.»

In letzter Zeit sei die Zahl der Übergriffe gesunken, noch aber stehen die Drohungen im Raum. «Die meisten Gemeindemitglieder sind in den westlichen Teil der Ukraine gezogen, einige wenige nach Russland. Auch Pastoren sind gegangen, weil die Gemeinden leer waren oder weil sie Angst um ihr Leben, um ihre Familie hatten.»

Gelegenheit verpasst

Pastor Sergei Vernichuck (Name geändert) sollte zwei Gottesdienste in einer anderen Gemeinde durchführen. Dazu musste er mehrere Checkpoints passieren. Das brauchte Zeit, denn die Rebellen kontrollieren alles genau. «Beim letzten Checkpoint war er genervt und polterte die drei jungen Männer an, ob sie nichts anderes zu tun haben, als die Leute zu schikanieren. Die drei Aufständischen versuchten ihn zu beruhigen, sie müssten das halt eben tun... Als er losfuhr, dachte er, dass dies nicht seine beste Reaktion gewesen sei. Er hätte sie besser darauf hingewiesen, dass jeder mal sterben müsse und sie besonders gefährdet seien.»

Sergei hielt die beiden Gottesdienste ab. Am Montag steuerte er wieder den gleichen Checkpoint an. «Diesmal standen zwei andere da. Er fragte nach den drei jungen Männern vom gestrigen Tag. Die beiden anderen berichteten, wie am Sonntagabend ein schwarzer Mini-Van vorgefahren war. Die Türen gingen auf und aus dem Wagen wurde gefeuert. Die drei jungen Männer waren sofort tot.» Das gab Sergei zu denken. «Vom Heiligen Geist hatte er einen Impuls erhalten gehabt. Er hätte ja am Nachmittag zurückfahren können. Noch heute kaut er daran, dass er diese Gelegenheit nicht ergriffen hatte.»

Hilfe vor Ort

«Im Rahmen der Nothilfe-Kooperation 'Hoffnungsnetz', zu dem mehrere Schweizer Werke gehören, werden von der Schweiz aus Hilfsgüter in die Nähe des Rebellengebiets gebracht», sagt Linus Pfister, der das Gebiet regelmässig bereist.

Die HMK unterstützt zusätzlich Pastoren, die im Rebellengebiet ausharren. «Wir helfen ihnen über die Runden, weil ihre Gemeinden viel kleiner geworden sind und die Gläubigen teils ihren Job verloren haben oder Löhne nicht ausbezahlt erhalten. Somit ist vor Ort kaum mehr Geld zur Unterstützung da.» Auch die Pastoren, die gehen mussten, haben Existenzängste. «Ihnen helfen wir ebenfalls, damit das Know-how erhalten bleibt. So dass sie verfügbar sind, wenn es wieder möglich ist.»

Die «Aktion Weihnachtspäckli» sei überdies eine schöne Geste, «ein Zeichen, dass sie nicht ganz allein sind.» Das Essen eines Pakets reicht für rund zwei Wochen, ein willkommener Zustupf.

Zur Webseite:
HMK
«Aktion Weihnachtspäckli»

Zum Thema:
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Datum: 10.07.2016
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet

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