Ukraine: Report von der Front
Weihnachtspäckli aus der Schweiz machen einen Unterschied
Die Pakete mit Hilfsgütern der «Aktion Weihnachtspäckli» haben auch das ukrainische Frontgebiet erreicht. Sie brachten Freude und Hoffnung zu Menschen, die teilweise alles verloren haben.
Erst vor kurzem kehrte R., ein Mitarbeiter der HMK, aus der Ostukraine zurück. In der Stadt Charkow besuchte der Mitarbeiter der Hilfsorganisation «HMK Hilfe für Mensch und Kirche» mit Sitz in Thun einen einheimischen Projektpartner, der Haftentlassenen hilft, ins normale Leben zurückzufinden.«Pakete sind für sie Luxusgüter»
«Diese Menschen sind vorübergehend in einem Reha-Zentrum. Viele von ihnen haben nichts mehr. Die Pakete aus der Schweiz sind für sie Luxusgüter, entsprechend gross war die Freude.»
Der eine und andere Mann hatte ein Familienfoto in seinem Paket stecken. «Sie fragten mich, von wem dieses sei. Doch bei insgesamt 91'000 Geschenken war die Chance natürlich äusserst gering, dass ich genau die Familie kennen würde. Doch tatsächlich handelte es sich exakt um jene Weihnachtspäckli, die von einer Familie aus meiner Gemeinde in Grosshöchstetten stammten und so konnte ich ein wenig von meinen Bekannten erzählen. Das macht die Sache viel persönlicher, als wenn Geld gesendet würde, um Güter zu kaufen.»Wagnis, das viel bedeutet
In Charkow besuchte R. zudem eine christliche Gemeinde, in deren Untergeschoss zwei Dutzend ostukrainische Flüchtlinge eine Bleibe gefunden haben. «Ihnen fehlt die Perspektive und für sie ist nicht klar, ob sie in der Stadt bleiben sollen und hoffen, dass der Krieg bald zu Ende geht. Der Entscheid ist schwierig, die Kämpfe in Tschetschenien dauerten rund zehn Jahre.»
Spuren der Zerstörung waren in der Stadt Sjewjerodonezk, unweit der Frontlinie, zu sehen. Auch Kirchen wurden dort niedergebrannt. Rupp besuchte mit den ukrainischen HMK-Partner mehrere Flüchtlingsunterkünfte und verteilte Pakete. «Es bewegte mich, wie präsent der Krieg ist. Von den Leuten einer lokalen Gemeinde, mit der wir seit Jahren zusammenarbeiten, ist «nur» eine Person umgekommen, aber alle haben mitgekriegt, wie Menschen getötet und verletzt wurden. Sehr gross war ihre Freude, dass wir es wagten, sie zu besuchen. Ihnen bedeutet es viel, dass Menschen aus dem Westen an sie denken und sich mit ihnen solidarisieren.»
Solidarität abgeflacht
Es wimmelt von Check-Points der ukrainischen Armee. Bei Sjewjerodonezk führt eine Brücke auf die andere Flussseite und diese bleibt von 20.00 bis 6.00 Uhr jeweils geschlossen – wer nach Hause will, sollte rechtzeitig auf der richtigen Flussseite sein. «Weiter vorne sahen wir in den Feldern aufgereihte Panzer. Als wir da waren, war es gerade ruhig. Doch wir sahen eine Wohnung, in die vier Tage vorher eine Granate eingeschlagen hatte. Die ständigen Scharmützel waren den Leuten anzumerken.»
In Charkow versammeln sich Christen täglich um sechs Uhr in der Früh zum Gebet. Und in Sjewjerodonezk jeweils um neun Uhr abends. Zudem versuchen sie ihren Mitmenschen beizustehen. Beim Konfliktbeginn Ende 2013 war die inländische Solidarität noch gross, doch sie ist abgeflacht, unter anderem weil die Ressourcen der einheimischen Bevölkerung nicht grenzenlos sind.
Im luftleeren Raum
Etliche der Vertriebenen setzen sich heute selbst für Flüchtlinge ein. «Manche haben ein eigenes Geschäft verloren. Heute stehen sie anderen Flüchtlingen durch Nothilfe, Seelsorge und Verteilen von Esswaren bei. Für viele ist es wichtig, dass sie über das Erlebte reden können.»Rupp besuchte eine Flüchtlingsunterkunft in einem Kirchengebäude, wo es nur neun Grad war und kein warmes Wasser vorhanden war. «Hier haben Flüchtlinge seit letztem Sommer einen Unterschlupf gefunden. Unser Gastgeber zeigte uns einen verlotterten Brettertisch, auf dem er die ersten Wochen geschlafen hatte.» Die Menschen seien jedoch nicht von Hass gezeichnet gewesen. «Doch eine Frustration war zu spüren. Einige haben alles verloren und sie befinden sich im luftleeren Raum.»
Zwölf wurden getauft
In einer anderen Flüchtlingsunterkunft harren zurzeit 20 Personen aus. Der Leiter der Unterkunft berichtete, wie er früher drogensüchtig gewesen war. R.: «Wie durch ein Wunder konnte noch verhindert werden, dass seine schwer gezeichneten Beine wegamputiert werden mussten. Er entschied sich für ein Leben mit Christus und wurde auch körperlich geheilt. Heute ist er für andere da.»
Der geistliche Hunger sei gross. «Ich besuchte eine Gemeinde, in der während Jahren immer wieder andere Leute ein und aus gingen. Die Flüchtlinge spüren die Nächstenliebe. Erst vor kurzem wurden zwölf Menschen in dieser Gemeinschaft getauft.»
Zur Webseite:
Aktion Weihnachtspäckli
HMK Schweiz
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Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet