Umkehr am Mittag
Banker reden über Gott, Geld und Gier
Die Krise liegt Bankern am Magen. Londoner Kirchen laden die Arbeiter der Finanzwelt über Mittag ein und zeigen auf, wie sie Gier ablegen und Seelenruhe finden können.
Die Banker des Londoner Finanzviertels eilen über Mittag nicht mehr einzig zum nächsten Schnellimbiss. Manche strömen für die Pause in die St.-Helen-Kirche, direkt neben der «Gurke», auch «Swiss Re-Tower» genannt.Für ein paar ruhige Gedanken haben diese Banker durchaus Zeit, schreibt die Zeitung «Die Welt». Es gehe um Gott, Geld und Gier. Scheinbar ein Wiederspruch. Das Blatt hält fest: «Und doch versuchen es zwei Mal pro Woche mehrere hundert von ihnen in St. Helen's in Bishopsgate. Fünf Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise erfreuen sich die Bibelpausen grosser Beliebtheit.»
«Aus Gier wird Angst»
Beim Besuch der Welt-Reporterin spricht Simon Johnson, selbst Mitarbeiter in einer Vermögensverwaltung, über den richtigen Umgang mit Geld. Er erklärt, wer nur reicher werden will, werde fallen. Denn bei den meisten komme Unzufriedenheit dazu. «Viele von uns wissen nicht, wie sie mit Reichtum umgehen sollen.» Die Banker nicken und blicken in die Bibel.
Aufgeschlagen ist diese bei 1. Timotheus, Kapitel 6, wo steht, dass Arroganz und Stolz gefährlich sind, ebenso wie der Materialismus, die Gier nach mehr. Johnson: «Früher oder später platzt jede Blase. Früher oder später wird aus Gier immer Angst.» Gier und Materialismus, «beides zerstört unsere Beziehungen. Wir sollten uns auf jemanden verlassen, nicht auf etwas. Viele von uns sind den Verführungen erlegen. Trotzdem ist die Gier nach Geld nie befriedigt.»
Nicht nur auf das Gehalt verlassen
Vor fünf Jahren schockte die Pleite der amerikanischen Bank «Lehman Brothers». Schon damals strömten Tausende in die Kirchen, auch in die St. Helen. Viele aber kehrten schnell zur Tagesordnung zurück, bilanziert Helen Selvarajan in der «Welt». Sie gehört zu den Organisatorinnen der Bibelpausen. «Viele sind schnell wieder in ihr altes Leben zurückgekehrt.» Einige aber hätten verstanden, dass sie sich nicht nur auf ihr Gehalt verlassen können.
«Der Mensch will immer mehr, das liegt in seiner Natur», sagt die junge Investmentbankerin Caroline (25). Wenigstens sei den Bankern bewusster, dass es Grenzen für ihr Handeln gibt.
Auch andernorts in London laden Kirchen Menschen aus der Finanzwelt zu Andachten über Mittag ein. Ein Ableger in Tokio ist inzwischen ebenfalls aktiv, gegründet von einem früheren Kirchgänger in London.
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Den kennenlernen, der von der Gier befreit
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Jesus.ch