Toleranz für Minderheiten
«…dann werden die Juden Europa einfach verlassen»
Vertreter des Judentums und des Islam haben an einer Veranstaltung in Brüssel die EU gemeinsam aufgerufen, angesichts kürzlich ergangener Gerichtsurteile die Religionsfreiheit zu schützen.
Das Landgericht Köln hatte im Frühjahr die Beschneidung von Knaben aus religiösen Gründen verboten. An dem Seminar in Brüssel am 29. November wurde Richard Prasquier, Sprecher des französischen Judentums, deutlich: «Wenn Europa weiterhin Gesetze gegen Juden voranbringt, werden sie Europa einfach verlassen.» Die rituelle Beschneidung von Knaben dürfe nicht in die Nähe der Genitalverstümmelung von Mädchen gerückt werden. Prasquier verwies darauf, dass Polen unlängst einen Versuch gemacht habe, die rituelle Schächtung gesetzlich zu untersagen.Vor Indoktrinierung schützen
Die European Jewish Association hatte das Seminar zum Thema «Religionsfreiheit und gegenseitiger Respekt» organisiert. Es stand unter Leitung des finnischen Europa-Abgeordneten Hannu Takkula. Richard Prasquier, Präsident des jüdischen Dachverbands in Frankreich CRIF, sprach die Schwierigkeit an, Menschen vor Indoktrinierung zu schützen. Er habe kürzlich den Bruder des Juden-Mörders von Toulouse gesprochen. Dieser habe ihm erklärt, Mohammed Merah sei von klein auf antisemitisch indoktriniert worden.
Miteinander nach dem Holocaust
Prasquier hatte Hassen Chalghoumi, den interreligiös engagierten Imam der französischen Stadt Drancy, zu einem Podium eingeladen. Chalghoumi warnte seinerseits vor Verboten religiöser Rituale. Sie könnten dem Radikalismus in Europa Auftrieb geben, wie es derzeit in Ägypten geschehe. Die EU solle nicht religiöse Praktiken verbieten, sondern radikale Islamisten von Europa fernhalten und so Hetze unterbinden. Chalghoumi war kürzlich mit 17 Imamen nach Israel gereist und hatte die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem besucht. Europa solle von dem Grauen der Nazizeit lernen und realiseren, «dass wir alle miteinander Bürger sind», sagte der Imam in Brüssel. Ein französischer, den Werten der Republik zugewandter Islam sei zu entwickeln.
Recht auf Religionskritik
In letzter Zeit sind Antisemitismus und «Islamophobie» zunehmend in einem Atemzug genannt worden – was laut Richard Prasquier einen wesentlichen Unterschied verwischt. Zwar sollte «verboten sein, Muslime zu kritisieren, weil sie Muslime sind, wie es verboten sein sollte, Juden zu kritisieren, weil sie Juden sind». Aber Kritik an ihrer Religion, dem Islam, könnten Muslime nicht einfach als islamophob abqualifizieren und als Gotteslästerung verdammen. «Das Recht auf Blasphemie muss gewahrt bleiben», meinte Prasquier in Brüssel, sonst sei die Religionsfreiheit in Gefahr.
Quelle: Livenet.ch / Tachles