Alterndes China
Arbeit statt Familienglück
Nur ein Kind pro Familie: Was Maos Zöglinge dem Grossteil ihrer Untertanen verordneten und mit totalitären Mitteln durchsetzten, führt zu einer tiefen Geburtenrate, Frauenmangel und rascher Alterung der Gesellschaft.
Der Nutzen der «Familienplanungspolitik» wird heute auch von einheimischen Fachleuten in Frage gestellt: Schon 1980 habe die Geburtenrate nur noch 2,3 betragen, und Indonesien und Thailand hätten sie ohne drakonischen Zwang, allein durch die Abgabe von Verhütungsmitteln, gesenkt. Die sechs reichsten Gebiete Asiens (Hongkong, Japan, Macau, Singapur, Südkorea und Taiwan) haben gemäss dem «Economist» die niedrigsten Geburtenraten der Welt.
Dramatische Alterung…
Das Bevölkerungswachstum hat sich im letzten Jahrzehnt fast halbiert (0,57 gegenüber 1,07 in den 1990er Jahren). Die aktuelle Volkszählung ergibt eine Gesamtbevölkerung von 1‘340 Millionen Menschen. Damit ist die Volksrepublik China, wie das Blatt schreibt, «vermutlich das erste Land, das altert, bevor es reich wird». Statt einem Viertel der Chinesen (vor 2000) ist heute nur noch ein Sechstel unter 16-jährig.
Experten fordern die Umstellung auf eine Zwei-Kinder-Politik; Präsident Hu Jintao deutete zuletzt eine Lockerung an. Bisher wurden zwei Kinder Ehepaaren auf dem Land, (schwer kontrollierbaren) Minderheiten und jenen Eltern, die beide ohne Geschwister aufgewachsen waren, zugestanden.
…und Frauenmangel
Höchst beunruhigend ist das Missverhältnis von Knaben und Mädchen: Aus kulturellen und religiösen Gründen wünschen sich die meisten Chinesen einen Sohn. Ultraschall macht’s einfacher: 2010 wurden auf 100 Mädchen 118 Knaben geboren. Das bedeutet jedoch, dass in einer Generation jeder fünfte Chinese keine Braut finden wird.
Derzeit soll es in China 221 Millionen Wanderarbeiter geben (100 Millionen mehr als im Jahr 2000). Die ungebremst wachsende Wirtschaft nutzt ihre Arbeitskraft. Doch ihre Forderungen nach einem besseren Leben (das die Oberschicht bereits geniesst) und nach Familienglück werden den Machthabern noch zu schaffen machen.
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch