Religionswissenschaftler: «Laut Koran gehört Israel den Juden»
Zur Begründung verweist Professor Khalil Mohammed auf die Koran-Suren 5,20 und 21: «Und wie Moses zu seinem Volke sprach: ‚O mein Volk, besinnt euch auf Allahs Huld gegen euch, als er aus eurer Mitte Propheten erweckte und euch zu Königen machte und euch gab, was er keinem anderen (Volk) auf der Welt gegeben. O mein Volk, betretet das Heilige Land, das Allah für euch bestimmt hat, und kehret nicht den Rücken, denn dann werdet ihr als Verlorene umkehren’.»
Für ein freies Jerusalem
Khalil Mohammed sagt dazu: «Wenn Gott das Land Israel für die Leute von Mose bestimmt hat, wer sollte das dann ändern können? Auch wenn die Moslems Jerusalem teilweise erobert haben, so sollte es doch offen sein für die Rückkehr der rechtmässigen Eigentümer. Es ist möglich, dass der jüdische Glaube eine solche Rückkehr nur unter dem Messias zulässt. Aber dies sollte die Moslems nicht beeinflussen. Die Besetzung der Stadt und die Errichtung einer Moschee auf dem Tempelplatz waren Dinge, die der Koran nicht erlaubt.»
Khalil Mohammeds Aussage wurde von verschiedenen Seiten scharf kritisiert, da sich seine Haltung nicht mit der Ansicht fundamentalistischer Muslime verträgt. Im Interview mit Livenet geht der Professor näher auf seine Thesen ein.
Livenet: Sie sagen, das Heilige Land gehöre Israel – und belegen das mit der Versen aus der fünften Sure des Koran. Was meinen Sie damit?
Professor Khalil Mohammed: Für mich ist der Vers klar: «Geht ins Heilige Land, das Gott euch gibt.» Das sagte Mose seinem Volk. Wer den Koran sorgfältig liest, sieht, dass Mohammed nie und nimmer meinte, die ganze Welt müsse sich zum Islam bekehren. Das haben schon viele Gelehrte entdeckt. Der Islam war nur für die arabische Halbinsel gedacht; die Juden sollten ihre eigene Religion und ihr eigenes Land haben, genauso wie andere Nichtaraber. Es war nie so gedacht, dass Länder ausserhalb von Arabien Teil eines islamischen Gemeinwesens werden sollten.
Wenn das stimmt, stehen der Felsendom und die Al-Aksa-Mosche am falschen Platz. Diese Entdeckung dürfte für Furore sorgen...
Ich finde den Ausdruck «falscher Platz» problematisch. Aber wir können auf den heiligen Plätzen anderer monotheistischer Religionen nicht einfach Moscheen errichten. Darum finde ich, dass der Felsendom nie hätte gebaut werden dürfen. Auch wenn die Tradition Anderes behauptet: Der Felsendom wurde von Abdel Malik erbaut, nicht von Omar.*
Im Koran kommt Jerusalem nicht vor. Stimmt es, dass Mohammed keinen Bezug zu Jerusalem hatte?
Damit bin ich so nicht einverstanden. Es gibt einen Hinweis. Am Anfang beteten die Moslems in Richtung Jerusalem; das zeigt einer der ersten Verse der 17. Sure. Damit soll aber Jerusalem nicht der arabischen Geografie zugeschlagen werden. Alle drei monotheistischen Religionen gehen auf Abraham zurück. Er kam nach Israel. Bestimmte Rituale und Gegenden, die er heilig fand, müssen von allen abrahamitischen Religionen respektiert werden.
Warum ist Jerusalem für Moslems wichtig?
Für manche Moslems ist noch immer die erste Gebetsrichtung massgebend – und die zeigte nach Jerusalem. Mir selber ist Jerusalem darum wichtig, weil dort der Tempel stand und weil Gott sagte, dass er ihn segnet. Aus diesem Grund wurde Jerusalem auch für Mohammed wichtig.
Sie lehren auch über biblische Propheten. Was sagen Sie Ihren Studenten darüber?
Dass diese Propheten Teil der abrahamitischen Religion waren und dass sie dessen Leben studieren und ihm nacheifern sollen.
Wie geht der Koran mit «den anderen» um: mit Christen, Juden und Andersgläubigen?
Man muss das zeitliche Umfeld von damals mitberücksichtigen. Im Koran sind Juden und Christen solche Menschen, die berechtigt sind, in den Himmel zu kommen – solange sie, wie die Moslems, die Gebote befolgen, die sie zu erfüllen haben. Der Koran sagt, für jeden sei ein Weg nach seiner Weise da. Das heisst, dass der Koran Menschen aus verschiedenen Zeiten, Gesellschaften und Regionen akzeptiert – und dass die Kulturen verschiedene Regeln haben. Gott richtet sie dementsprechend.
Mohammeds Nachfolger verlangten dann, dass die „Heiden“ entweder den Islam annehmen oder das Land verlassen sollten. Im siebten Jahrhundert war das übliche Siegerpraxis. Der Koran selber sagt nichts über die anderen Religionen. Aber er gibt zu verstehen, dass zu jeder Nation ein Botschafter gesandt wurde und dass jedes Land eine geistliche Führung hat.
Verschiedene Länder wollen das islamische Recht, die Scharia, einführen, zum Beispiel der Sudan. Wie denken Sie darüber?
Ich habe ein grosses Problem mit dem Scharia-Konzept der Moderne. Erstens sagt der Koran nicht, dass dieses Gesetz immer gilt, sonst wäre eine Gesellschaft ja steifgefroren. Die alten Juristen erkannten das und wollten das vermeiden. Wenn man das moderne Scharia-Konzept aber akzeptiert, dann stellt man alles unter das Diktat dessen, was in den 23 Jahren von Mohammeds Wirken angeblich geschah. Aber hat sich die Menschheit seitdem nicht weiterentwickelt?
Rechtswissenschaft hängt von menschlicher Auslegung ab, und im Islam gibt es verschiedene Schulen. Der Koran war nie als Staatsdokument gedacht. Er sollte einzig die Gesetze aus Mohammeds Zeit und Gegend stützen. Wie ich die Koranverse verstehe, sind sie eine ethische Umschreibung jener Gesetze.
Nehmen wir das Kopfverhüllen. Hier werden mehrere Koranverse falsch ausgelegt. Sie sprechen nicht vom Verhüllen des Kopfes, sondern der Brüste. Es gibt keine Bestimmung, nach der der Kopf zu verhüllen sei. Vielmehr gebietet der Koran den moslemischen Frauen, dass sie ihre Kopftücher nehmen und damit ihre Brüste bedecken sollen. Das heisst, dass man damals bereits Kopfbedeckungen trug. Und wir wissen, dass diese Kopfbedeckungen damals Sklavinnen von freien Frauen unterschieden. Heute gibt es keine Sklaven mehr, und so ist es nicht nötig, ein Kopftuch zu tragen, um zu zeigen, dass man keine Sklavin ist.
Der Vers geht weiter: «So dass man dich erkennt und du nicht belästigt wirst ... » Das heisst, wenn in der damaligen Gesellschaft eine Frau ihre Brüste entblösste, wurde sie belästigt. In jedem Teil der zivilisierten Welt gibt es heute Gesetze gegen derartige Tätlichkeiten. Darum sind solche restriktiven Kleidervorschriften heute überflüssig. Im Koran wird von den moslemischen Frauen sogar verlangt, sich wie die Christinnen und Jüdinnen zu kleiden, indem sie ihren Ausschnitt bedecken.
Wir müssen also mit der Zeit gehen und unsere Gesetze anpassen. Wir können nicht auf Vorschriften aus dem siebten Jahrhundert beharren. Das ist rückwärtsgewandt und gegen die Gnade und das Mitgefühl, von dem der Gott des Korans spricht.
* Anm. d. Red.: Der Felsendom wird auch «Omar-Moschee» genannt.
Weiterführende Links:
Kurt Beutler: «Jesus war ein guter Moslem!»
Keine Huris im Paradies
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch