Trotz Druck der Regierung

Kuba: doppelt so viele bekennende Christen wie in Westeuropa

Aus Kuba berichten Beobachter von ungebremstem Aufbruch und Wachstum der Kirchen in dem kommunistischen Land. Nach offiziellen Zahlen sind heute 10 Prozent der Bevölkerung der Karibikinsel evangelische Christen – das ist doppelt so viel wie in praktisch allen Ländern Westeuropas. Wir bringen Hintergründe in einem Gespräch mit dem Projektleiter für Kuba bei der Hilfsorganisation HMK (Hilfe für Mensch und Kirche).

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Offiziell sind bereits 10 Prozent der Bevölkerung Kubas evangelische Christen – über eine Million Menschen.
Livenet: Was sind die geschichtlichen Hintergründe des gegenwärtigen Aufbruchs in Kuba?
HMK-Projektleiter.: Werfen wir einen Blick zurück: In den 1960er-Jahren wurden nach der Machtergreifung durch Fidel Castro alle Missionare heimgeschickt und die Kirchen geschlossen; Bibelschulen wurden enteignet und in Kulturzentren umgewandelt. Weil alle Pastoren im Gefängnis waren, verbrachten die kubanischen Gemeinden ein Jahrzehnt ohne Leiter. Daraufhin folgte eine Zeit der Reorganisation. In den 1980er- und 1990er-Jahren begann ein geistlicher Aufbruch mit vielen Bekehrungen, Zeichen und Wundern. In diese Zeit fällt auch der erste Papstbesuch – die Katholiken durften sich dazu öffentlich im Stadion versammeln.

Wie erging es den Evangelischen?
Den Evangelischen wurde erlaubt, sich in Häusern zu treffen, aber die Gottesdienste durften nicht mehr als 15 Teilnehmende zählen. Diese Anordnung seitens der Regierung führte zu einer starken Multiplikation von kleinen Zellen und Hausgemeinden. Das künstliche Kleinhalten der Gemeinden wurde zum kraftvollen Motor für Gemeindegründung. Ein Beispiel: Ein Pastor hat eine Gemeinde und zwei bis drei Mitglieder kommen aus einem entfernteren Dorf. Der Pastor ermutigt sie, sich dort selbst zu treffen, und schickt ihnen einen Gemeindegründer. Der betreut sie und ist in ihrem Umfeld ein Zeugnis der Liebe Jesu. Die kleine Gruppe versucht, ein Haus für ihn zu finden, in dem sie sich dann versammelt. Der neue «Pastor» wird nicht von der Denomination bezahlt, sondern die neue Gemeinde muss ihn selbst finanzieren.

Dann sind die meisten Gemeinden in Kuba klein?
In Kuba gibt es über 40 anerkannte Denominationen, und die meisten von ihnen haben dieses Haus-Modell angenommen. Sobald eine neue Hauskirche mindestens 15 Mitglieder hat, welche alle ihren Zehnten geben, dann kann sie durch die Denomination offiziell zur eigenständigen Gemeinde erklärt werden. Doch bei 15 Mitgliedern bedeutet das insgesamt vielleicht 30 oder mehr Gottesdienstbesucher in einer Stube. Der Gemeindegründer schaut dann erneut, woher die am weitest entfernten Gemeindemitglieder kommen, und startet an diesem Ort wieder eine neue Gruppe. So gibt es mittlerweile Gebiete in Kuba, wo man sagt, dass der Anteil von evangelischen Christen über 80 Prozent beträgt.

Hat die Freiheit im Land wirklich zugenommen?
Man kann heute leichter nach Kuba reisen. Alleine in Florida gibt es drei Millionen Exil-Kubaner – wenn es eine zu schnelle Öffnung gibt, werden sie kommen und mit ihrem Geld das neue Kuba aufbauen. Die Folge: Die bisherigen Bewohner werden zu Angestellten. Darum wünschen sich viele Kubaner keine allzu schnelle Öffnung; das würde zu einer Zweitklassengesellschaft führen.

Im April 2015 traf sich US-Präsident Obama mit Raul Castro. Obama versprach, Kuba von der Terrorliste zu nehmen, woraufhin Kuba versprach, Oppositionelle freizulassen. Kuba hat das gemacht, um nur zwei Wochen später die nächsten 150 Oppositionellen zu inhaftierten – davon hörte man in der Weltpresse nicht mehr viel. Weil Kuba nicht mehr auf der Liste der Länder mit Menschenrechtsverletzungen ist, fühlt es sich jetzt viel sicherer.

Wie reagiert die Regierung auf die Zunahme der Christen?
In vielen Provinzen sind lokale Gouverneure seit dem letzten Jahr hart gegen Christen vorgegangen. Es stört die Regierung, dass die Zahl der Christen wächst und sie an Einfluss gewinnen. Vor kurzem bezifferten die Behörden den Anteil der Evangelischen an der Bevölkerung bereits mit 10 Prozent. Weil Kuba aber unter der Beobachtung der Weltöffentlichkeit steht, gibt es weniger offene Verfolgung, dafür aber konstruierte Fallen, um Christen unter Druck zu setzen. Ihr neuester Versuch: Die meisten Pastoren leben in halblegalen Gebäuden; die Behörden kommen und bieten an, das Gebäude zu übernehmen und es den Pastoren für zehn Jahre zu vermieten. Viele Pastoren sind froh darüber, merken aber nicht, dass es eine Falle ist. Denn es gibt einen Gesetzesartikel, der verbietet, dass sich in staatlichen Gebäuden Christen treffen dürfen. Die Behörden wissen das, aber die Pastoren nicht. Dazu kommt, dass das oft Gebäude sind, die sich die Kirche mühsam zusammengespart hat – wir erleben hier also eine hinterlistige Form der Enteignung.

Selbst wenn die Eiszeit zwischen Kuba und den USA sowie dem Westen zu Ende ist – das Wachstum der christlichen Gemeinden ist dem kubanischen Staat ein Dorn im Auge.

Zur Webseite:
HMK-AEM

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Datum: 29.02.2016
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet

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