Franziskus in den USA
Der Papst zwischen allen Stühlen
Republikaner und Demokraten hofften, vom Besuch des Papstes in den USA zu profitieren. Doch Franziskus macht es ihnen nicht leicht und redet sowohl Konservativen als auch Liberalen ins Gewissen.
«Der Papst war noch in Kuba, da gingen die Republikaner in Washington vorsichtshalber schon mal in Abwehrhaltung», schreibt «Zeit online» in einem Leitartikel zum Papst-Besuch in den USA. «Sollte der Papst sich wie ein Linker verhalten, dann muss er auch damit rechnen, so behandelt zu werden», hatte etwa der konservative Abgeordnete Paul Gosar aus Arizona gewarnt. Eine Rede, die sich ausschliesslich auf den Klimawandel konzentriere, werde er boykottieren. Dabei war es der Sprecher der Republikaner im Repräsentantenhaus, John Boehner, gewesen, der das Kirchenoberhaupt zum Besuch der USA eingeladen hatte.Bereits im Vorfeld hatte der Papst für Irritationen gesorgt, als er mehrere Einladungen zum Essen bei Prominenten «aus Zeitmangel» absagte, weil er einen «Termin zum Essen mit Obdachlosen» in New York hatte (aus dem dann allerdings nur ein Besuch wurde).
Erste Rede eines Papstes vor dem Kongress
Am 24. September sprach der Papst vor dem Kongress – zum ersten Mal in der Geschichte. Franziskus, selbst Sohn italienischer Einwanderer in Argentinien, ermahnte die USA in seinem sanften Englisch mit starkem Akzent, keine «Gesinnung der Feindseligkeit» gegenüber Flüchtlingen und Einwanderern zu entwickeln und dem «Fremden in unserer Mitte» nicht den Rücken zuzuwenden. Damit sprach er ein dorniges Thema an, das die Gesellschaft im Moment stark polarisiert. Die USA sahen sich im letzten Jahr allein mit 60'000 Minderjährigen ohne Begleitung konfrontiert, die sich an den Grenzen drängten.
Weiter richtete Franziskus einen Appell zum Umweltschutz an die Abgeordneten, vermied aber den in den USA umstrittenen Begriff «Klimawandel». Jetzt sei der Moment für mutige Handlungen und Strategien für eine «Kultur der Achtsamkeit» und «einen ganzheitlichen Zugang, um die Armut zu bekämpfen, den Ausgeschlossenen ihre Würde zurückzugeben und sich zugleich um die Natur zu kümmern», zitierte er aus seiner Umwelt-Enzyklika «Laudato si». Dies betrifft nach seinen Worten insbesondere den Kampf gegen den Hunger. Er müsse vor allem den Ursachen von Ernährungskrisen gelten. Auch müsse die Todesstrafe ein Ende haben. Jeder Mensch sei mit einer unveräusserlichen Würde ausgestattet und das Leben unantastbar.
Christliche Grundpositionen
Aber auch gegen die liberalen Demokraten stellte er christliche Grundwerte eindeutig in den Raum. In Bezug auf Abtreibung und Euthanasie stellte der Papst eindeutig fest, dass die Menschheit «das menschliche Leben in jedem Stadium seiner Entwicklung schützen» müsse. Er fuhr – mit Bezug auf die Freigabe gleichgeschlechtlicher «Ehen» durch den Obersten Gerichtshof – fort: «Die traditionelle Familie wird heute – wie vielleicht noch nie zuvor – bedroht, und zwar von innen und von aussen. Grundlegende Beziehungen werden als die Basis der Ehe und der Familie in Frage gestellt.»
Mit Blick auf die Weltpolitik warnte Franziskus die USA zudem vor einem «grob vereinfachenden Reduktionismus», der die Welt in Gut und Böse einteile. Die heutigen Weltprobleme erlaubten keine solche Form von Polarisierung. Vor diesem Hintergrund lobte Franziskus in seiner immer wieder von stehenden Ovationen unterbrochenen Rede die politische Entspannung zwischen den USA und dem kommunistischen Kuba, zu der er im vergangenen Jahr massgeblich beigetragen hatte.
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Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet.ch / Zeit Online / kath.ch