Die Amish boomen in den USA
Gesegnete des Herrn
Den Nachfahren der überwiegend deutschstämmigen Wiedertäufer, die im 18. Jahrhundert nach Nordamerika auswanderten, gehört die Zukunft.Menschen, die sich kleiden wie im 19. Jahrhundert, die mit der Pferdekutsche zum Einkaufen fahren und die in ihren Haushalten weitgehend auf Elektrizität und andere Segnungen der Moderne zu verzichten versuchen, würde man aus säkular-europäischer Sichtweise wohl als ein wenig rückwärtsgewandt einstufen, als Auslaufmodell eines Lebensstils. Im Falle der Religionsgemeinschaft der Amish in den USA ist diese Einschätzung weit von der Wahrheit entfernt.
Laut einer Studie der Ohio State University sind die Amish eine der am schnellsten wachsenden Religionsgemeinschaften der USA. Momentan leben dort rund 250.000 Mitglieder dieser Gemeinschaft; die Männer meist kenntlich an langen Bärten und Strohhüten, die Frauen an meist weissen Hauben und wadenlangen Kleidern. Für das Jahr 2050 wird mit einer Million «Amischen» gerechnet. Der demografische Aufwärtstrend ist in einigen Bundesstaaten kaum zu übersehen. Statistisch wird jeden Monat eine neue Amish-Gemeinde gegründet, und das nicht nur in den traditionellen Siedlungsgebieten.
Zunahme autonomer Siedlungen
Ohio ist mit 60'000 Amish der Staat mit der derzeit grössten Gemeinde; im dortigen Landkreis Holmes County stellen die sie 42 Prozent der Bevölkerung. Es folgen Pennsylvania mit 59'000 und Indiana mit 45'000. Ihre Zahl hat sich nach der Studie innerhalb der vergangenen 22 Jahre verdoppelt. Seit 1990 stieg die Anzahl der autonomen Siedlungen von 179 auf jetzt 456. Die «buggys», die traditionellen Pferdegespanne der Amish, sieht man heute auch in Staaten wie Colorado, Montana und Missouri.
Der Grund für das immense Wachstum liegt in den Reproduktionsraten, aber offenbar auch in der Geborgenheit, die die Amish ihren Gemeindemitgliedern bieten. Überraschend viele ihrer jungen Leute sind offenbar immun gegen die Versuchungen der Gegenwart, vom iPhone und Internet bis hin zu Genussmitteln und Hedonismus.
85 Prozent bleiben als Erwachsene dabei
Die Amish, die sich abgesehen vom Lebensstil vor allem in der Erwachsenentaufe von anderen christlichen Gemeinschaften unterscheiden, lehnen Verhütungsmittel ab und haben meist Familien mit fünf, sechs oder sieben Kindern. Etwa 85 Prozent von ihnen entscheiden sich nach Eintritt ins Erwachsenenalter dafür, bei ihren Gemeinden und damit beim Verzicht auf viele, wenn auch nicht alle sogenannten Annehmlichkeiten des modernen Lebens zu bleiben.
«Die Amish sind sehr erfolgreich darin, ihre Söhne und Töchter in ihrem Glauben zu sozialisieren», sagt Joseph Donnermeyer von der Ohio State University. «Sie sind keineswegs isoliert, sondern eine dynamische Kultur. Sie entwickeln sich nur in eine ganz andere Richtung als Mainstream-Amerika.»
Landwirtschaft und Kleinunternehmertum
Die Landwirtschaft ist nach wie vor ein wichtiges Tätigkeitsfeld der Amish, die oft günstiges Land in wenig – oder nicht mehr – bewirtschafteten Regionen aufkaufen und sich dort ansiedeln. Andere arbeiten im Handwerk oder im Baugewerbe. Arbeitslosigkeit ist ausserordentlich selten, das Kleinunternehmertum traditionell die Grundlage ihres Broterwerbs.
Sie zahlen Steuern und werden oft in ländlichen Regionen, in denen sie sich neu ansiedeln, als Gewinn angesehen. Amish tragen dazu bei, den Bevölkerungsrückgang in abgelegeneren Ortschaften aufzuhalten. Sie drängen ihren Glauben niemandem auf, verlangen keine Extrawürste – und gelten als rundum gesetzestreue, unproblematische Nachbarn.
Quelle: Kipa