Christen in Nigeria
Die Hoffnung auf ein besseres Nigeria nicht aufgeben
In Nigeria wurden in zwölf Jahren zehn Millionen Christen aus ihren Dörfern vertrieben, über 50'000 getötet und 13'000 Kirchen zerstört. Entführte Kinder werden zum Teil wieder freigelassen – bleiben aber fürs Leben gezeichnet.
Nach einem neuerlichen Massenraub von Schulkindern Anfang September im nordwestlichen Bundesstaat Zamfara – hier wurde 1999 als erstes in ganz Nigeria die islamische Rechtsordnung Scharia eingeführt – konnten zwei Wochen später 75 von ihnen gegen hohes Lösegeld freigekauft werden. Eine Versammlung von Pfingstchristen weist aber darauf hin, dass dieser relativ glimpfliche Ausgang kein Grund zur Beruhigung sei.
Die «Kirche des Herrn» (Aladura) betont, dass durch die fortwährenden Entführungen und spätere Freilassungen in Nigeria eine ganze «traumatisierte Generation junger Menschen» heranwachse. Das sei zwar einem ganzen Leben in der Gewalt von Islamisten, Kriminellen oder einer Mischung aus beiden vorzuziehen, bringe aber für ihre weitere christliche Erziehung schwere Probleme mit sich.
Einer Kultur der Gewalt ausgesetzt
Bei ihrer Geiselnahme und -haft waren die Kinder und Jugendlichen einer «Kultur der Gewalt» ausgesetzt, deren Wunden kaum mehr vernarben könnten. Einziges Heilmittel sei das vertrauensvolle Gebet zu Jesus, betont die Aladura-Pfingstkirche, die sich auch als «Das Betende Volk» bezeichnet. Sie glaubt an die Kraft des Betens bei jeder Heilung aus dem Glauben an das pfingstliche Wunder.
Die «Kirche des Herrn» hält sich sonst von jeder politischen Stellungnahme zurück. Diesmal kritisiert sie aber, dass menschliches Leben in Nigeria noch nie so wenig wert gewesen sei wie derzeit.
Höhepunkt der Gewalt
Im Einklang mit anderen christlichen Stimmen erklärt «Aladura» die Situation für «unerträglich». Kinder, Studierende und Erwachsene, insbesondere auch Pastoren, würden wiederholt entführt, daneben verbreite sich auch die Gewalt in erschreckendem Ausmass mit einer grossen Anzahl von «Morden durch Entführer, mörderische Nomadenvölker, Banden und terroristische Gruppen». Sehe man von der Zeit der Bürgerkriege ab, habe das Land «noch nie eine so weit verbreitete grausame Gewalt mit unkontrollierter Zerstörung und so viel Blutvergiessen erlebt».
Ausrede Klimawandel
Die Pfingstchristen vom «Betenden Volk» fordern die nigerianische Regierung jetzt auf, endlich die volle Verantwortung für das Entstehen dieser «Kultur der Gewalt» und des Terrors zu übernehmen. Die Führung des volksreichsten Staates und der grössten Volkswirtschaft von Afrika lehne den Vorwurf eines Genozids an den Christen des Landes ab. Schuld sei einzig der Klimawandel, der die Muslim-Hirtenstämme der Fulani aus der Sahel-Steppe südwärts in die Anbaugebiete fest ansässiger Christen treibe. Dieser Versuch zur Rechtfertigung lässt aber offen, weshalb diese Aggression im Zeichen des Halbmonds erfolgt.
Solche Stammeswanderungen, wie es sie im Sahel schon immer gab, sind kein Grund für ihre heute ausgeprägte Christenfeindlichkeit. Die schwer bewaffneten Eindringlinge töten wehrlose Zivilisten, nur weil diese christlich sind; entführen und ermorden Pastoren und Gemeindeälteste, überfallen Kirchen gezielt während der Gottesdienste, zu Taufen, Hochzeiten und Begräbnissen oder rauben Schülerinnen und Schüler kirchlicher Bildungsstätten, um sie als Lustobjekte für die Harems oder Kindersoldaten zu rekrutieren. Das alles hat nichts mit Klimawandel und Gewinnung besserer Weiden zu tun!
Islamisierung des ganzen Landes
Auch die Covid-Pandemie, von der Nigeria in der ersten Jahreshälfte 2021 stark heimgesucht wurde, hat der Mobilität militanter Muslime kaum einen Abbruch getan. Nach Angaben der Beobachtungsstelle Intersociety in Onitsha am unteren Niger gingen auf Konto des Islamterrors zwischen Januar und Juli 3’462 Morde und etwa 3’000 Entführungen. 300 Kirchen wurden angegriffen. Das Fernziel der Extremisten sei eine völlige Vertreibung aller Christen aus dem Norden und der Mitte Nigerias und eine Islamisierung des gesamten Landes. Die muslimischen Wanderhirten der Fulani-Stämme seien dafür das entscheidende Werkzeug.
Duldung durch die Regierung
Mehr noch als die regelrechten Terrormilizen Boko Haram und Islamischer Staat (IS) sind die Fulani durch ihre Bevölkerungstärke und Beweglichkeit das Hauptinstrument für die Einverleibung Nigerias in die islamische Machtsphäre. Bei ihnen verbindet sich ein fanatischer Islam mit wirtschaftlichen Interessen und kriminellen Machenschaften. Der Bundespräsident Muhammadu Buhari und Nigerias führende Militärs gehören den Fulani an. Das Ausmass und die Ausbreitung des Terrors gegen die nigerianischen Christen lässt sich nur mit seiner Duldung und sogar Unterstützung von höchster Stelle erklären.
An ein besseres Nigeria glauben
Trotz alledem rufen gerade die Pfingstchristen die Bevölkerung auf, «an ein besseres Nigeria zu glauben». Unaufgebbare christliche Hoffnung könne dafür die entscheidende innere Kraft sein. Allerdings dürfe auch die Christenheit der Welt ihre nigerianischen Glaubensgeschwister nicht im Stich lassen. Von allen Staaten, die eine globale Unterstützung der Menschenrechte und Religionsfreiheit propagieren, haben nur die USA Nigeria Ende 2020 auf ihre «Beobachtungsliste» wegen Beteiligung an fortwährenden Verletzungen religiöser Freiheit und ihrer Duldung gesetzt.Zum Thema:
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Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet