Tragik der Frauen in Nigeria
Von Boko Haram befreit – daheim abgelehnt
Jetzt sitzen sie zwischen allen Stühlen: viele Frauen und Mädchen, die von der nigerianischen Armee aus der Boko-Haram-Gefangenschaft befreit wurden, werden abgelehnt und ausgegrenzt, wenn sie nach Hause kommen. Das enthüllt ein Bericht der Unicef, der am letzten Dienstag veröffentlicht wurde.
«Es ist zu befürchten, dass, wenn die Bedürfnisse dieser Überlebenden und Befreiten nicht gedeckt werden, ein neuer Krisenfaktor in dem an sich schon komplexen Konflikt in Nordost-Nigeria entsteht», sagte Kimairis Toogood, Berater für die Friedensorganisation «International Alert» in Nigeria.
2'000 Entführte seit 2012
Seit 2012 sind etwa 2'000 Frauen und Kinder von Boko Haram entführt worden, hält der Bericht fest. Das schliesst die über 200 Mädchen ein, die 2014 aus ihrer Schule in Chibok entführt wurden; ihr Schicksal hatte in den (sozialen) Medien weltweit grosses Echo gefunden und zu zahlreichen #BringBackOurGirls-Protestaktionen geführt, die im Endeffekt wenig Wirkung zeigten. Die nigerianische Regierung weiss bis heute nicht, wo die Mädchen wirklich stecken.
Hyänen unter Hunden?
Einige der entführten Frauen sind schwanger oder haben bereits Kinder geboren, deren Väter Boko Haram-Kämpfer sind. Dorfbewohner sind der Meinung, die Kinder hätten «schlechtes Blut», von ihren Vätern übertragen. Selbst einige Mütter hatten Zweifel über ihre Kinder. Eine Mutter erzählte: «Wenn ich an das Baby denke, das da kommt, beschäftigt mich das sehr, denn ich frage mich immer: wird es wie JAS handeln?» JAS ist ein anderer Name für Boko Haram. Ein Dorfältester hatte die Kinder von Boko Haram-Kämpfern als «Hyänen unter Hunden» bezeichnet.
Diese Ausgrenzungen sind ein Teil der unbeabsichtigten «Nebenwirkungen», die die Befreiung grosser Landstriche vom Boko Haram-Schreckensregime durch die nigerianische Armee mit sich brachten.
Weibliche Selbstmordattentäter – mit Gewissen
Die Skepsis den befreiten Frauen gegenüber wird weiter genährt durch die steigende Anzahl von Selbstmordattentäterinnen, die in Nordnigeria Anschläge ausüben. Mitarbeiter von Hilfswerken glauben, dass einige der heimgekehrten Frauen zu «Suicide Bombers» ausgebildet worden sind – entweder durch Gehirnwäsche oder sogar, indem sie ohne ihr Wissen Waffen an sich tragen, die ferngezündet werden können. In der letzten Woche wurde ein Teenager-Mädchen aufgefangen, das sich entschieden hatte, ihre Bombe nicht zu zünden. Das Mädchen hätte ein Lager von behinderten Menschen in die Luft sprengen sollen, warf ihre Bombe aber in den Busch, als sie merkte, dass ihre Eltern in der Menge waren. Zwei Begleiterinnen zündeten dennoch ihre Bomben und töteten und verletzten Dutzende von Menschen. Alle drei Mädchen hatten ihre Haare aus dem Gesicht zurückgekämmt; das stellt in ihrer Tradition einen Beerdigungs-Ritus dar und signalisierte, dass sie zum Sterben bereit waren.
Zum Bericht:
«Bad Blood» der unicef (Englisch)
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Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet