Vor den Wahlen
«Rat der Kirchen Ägyptens» wird aktiv
Ägyptens islamistischer Machthaber, Präsident Muhammad Mursi, hat am Wochenende die von ihm ab Ende April in mehreren Etappen angesetzten Parlamentswahlen weiter nach vorn gezogen. Die Opposition ruft zum Boykott der Wahlen auf.
Jetzt wird der Urnengang in Kairo und vier weiteren Großstädten schon am 22. April beginnen. Vorgeblich, um nicht mit dem Osterfest der koptischen Christen am 5. Mai zu kollidieren. Eigentlicher Grund für die Eile des sonst gar nicht christenfreundlichen Politmuslims Mursi scheint aber die Notwendigkeit, seinem immer totalitäreren Regime die Tarnkappe parlamentarischer Demokratie überzustülpen. Dann braucht er nicht mehr durch Notverordnungen zu regieren, sondern kann sich mit Zustimmung einer ihm voll ergebenen Volksvertretung schmücken.Das ist extrem wichtig, um seiner wirtschaftlich immer katastrophaleren Herrschaft die finanzielle Unterstützung des Westens zu sichern. Vor allem die USA möchten lieber heute als morgen den von ihnen zum Stabilitätsfaktor aufgewerteten und als «kleineres Übel» beschönigten Muslimbrüdern mit Dollarmilliarden unter die Arme greifen. Solch «unheilige Allianz» mit einer Islamdiktatur wird von Washington schon längst in Pakistan vorexerziert.
Aufruf zum Boykott
Kein Wunder, dass die ägyptischen Demokraten angesichts solcher interner und internationaler Konstellation mehrheitlich in die Resignation flüchten. Sofort hat Muhammad al-Baradei, Friedensnobelpreisträger von der Atomenergiebehörde in Wien, zum Boykott dieser «Wahlen auf Weisung» aufgerufen. Als erklärtes Aushängschild der oppositionellen «Nationalen Rettungsfront» (FSN) erklärt er nun in Kairo: «Ich werde nicht Teil eines Schwindels sein!»
Auch Ägyptens führender Linkspolitiker Hamdin Sabbahi ruft inzwischen zum Wahlboykott auf. Er lässt es aber nicht bei Worten bewenden wie die bürgerlichen Demokraten. Sein Appell zu Streiks und Demonstrationen wird bisher aber nur in den Textilindustrien des Nildeltas befolgt.
«Unsere wahre Rettung kommt durch Jesus Christus!»
Einzig im ganzen Land greifender Widerstand gegen die bevorstehende Wahlfarce der Muslimbrüder geht jetzt von dem neu gebildeten «Rat der Kirchen Ägyptens» aus. In ihm sind zum ersten Mal die allzu lang neben- oder sogar gegeneinander auftretenden evangelischen, katholischen und koptischen Christen vereint: «Unsere wahre Rettung kommt nicht von der säkularen Rettungsfront (FSN), sondern durch Jesus Christus», schrieb am Sonntag das koptische Wochenblatt «Watani». Inzwischen gehen von Fayyum bei Kairo bis nach Nag Hamadi in Oberägypten die Attacken radikaler Islamisten auf Kirchen sowie Häuser und Geschäfte von Christen weiter.
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Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet