Präsidentenwahlen in Ägypten
Wieder Hoffnung für die koptischen Christen
Aus Ägypten liegen nach Pfingsten endlich offizielle Ergebnisse der Präsidentenwahlen vom 22. und 23. Mai vor. Die Christen unterstützten mehrheitlich Ahmed Shafik und dürften dies auch in der Stichwahl tun.
Die Ergebnisse bestätigen die frühe Hochrechnung der Moslem-Brüder: Ihr Kandidat Muhammad Mursi bekam am meisten, aber nicht genug Stimmen. Er wird sich am 16./17. Juni in einer Stichwahl mit dem Zweitplazierten Ahmed Shafik messen müssen. Es war die grosse Überraschung, dass dieser Vertraute des 2011 gestürzten Staatschefs Mubarak zum Gegenpol des Politmoslems Mursi werden konnte. Nach allen Prognosen hätte das der gemässigte Salafist Abul Futuh sein sollen.
Womit in Kairo auch niemand gerechnet hatte, war die starke Unterstützung für den weltlich-fortschrittlichen Wahlwerber Hamdin Sabbahi: Er kam in diesem ersten Durchgang auf über ein Fünftel der Stimmen, während Mursi und Shafik beide bei einem knappen Viertel liegen.
Islamistenherrschaft oder prowestliche Regierung?
Die endgültige Entscheidung darüber, ob Ägypten einen Moslem-Bruder oder den doch prowestlicheren und christenfreundlicheren Ex-Fliegermarschall Shafik zum Präsidenten erhält, ist also vorläufig noch aufgeschoben. Es sieht aber gut für diesen langjährigen Luftfahrtsminister und letzten Regierungschef des Regimes Mubarak aus, wenn der zuletzt manifest gewordene Widerstand gegen eine Islamistenherrschaft am Nil anhält.
Noch bei den Parlamentswahlen vom letzten Dezember hatten sich Moslembrüder und Salafisten die absolute Mehrheit in der neuen Volksvertretung gesichert. Auf den «Arabischen Frühling» im Vorjahr war ein «Islamisten-Winter» gefolgt. Damals gab es nach 60 Jahren Diktatur unter Nasser-Sadat-Mubarak eben noch keine organisisierten demokratischen Parteien. Als diesmal jedoch die Präsidentschaftskandidaten Shafik und Sabbahi dem Trend zum politischen Islam die Stirn boten, sammelten sich mehr Wäherinnen und Wähler um sie als hinter die Moslem-Brüder und Salafisten traten.
Christen stimmten für Shafik und Sabbahi
Im Fall von Shafik hat dabei gewiss der mächtige Militärrat aus Generälen der Mubarak-Ära nachgeholfen, von dem Ägypten nach wie vor am Gängelband gehalten wird. Weitgehend wurde er aber mit den Stimmen der koptischen Christen auf den zweiten Platz katapultiert. Die Kopten hatten bei der Parlamentswahl in Ermangelung anderer Parteien einfach die Moslem-Brüder als das kleinere Übel statt der noch extremeren Salafisten gewählt. Jetzt stimmten sie für Shafik, einige auch für Sabbahi. Während die allgemeine Wahlbeteiligung bei nur 46 Prozent lag, machten die Christen zu über 90 Prozent von ihrem Wahlrecht Gebrauch. Das ergibt jetzt eine Umfrage in ihren Gemeinden.
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Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet