Rauer Tschad
Doch sie haben das Bedürfnis, geliebt zu werden
Seit
fünf Jahren arbeitet Helen im Tschad. Für «SAM global» mit Sitz in
Winterthur ist sie in der Gesundheitsarbeit tätig. Die Christin arbeitet auf
Wunsch des muslimischen Gouverneurs vor Ort. Über ihre ganzheitliche Hilfe
berichtet sie im Interview mit Livenet.Helen, können Sie zunächst ein paar Angaben über sich machen?
Helen: Ich bin 60 Jahre alt, Pflegefachfrau
und Hebamme von Beruf und war 30 Jahre lang in der medizinischen Arbeit in
Kamerun tätig. Jetzt bin ich seit fünf Jahren im Tschad und seit einem Jahr in
der «Oase», einer Kleinstadt mitten in der Wüste des Tschads.
Was
tun Sie im Tschad?
Der Gouverneur der Oase, ein Muslim,
bat um interkulturelle Mitarbeitende, um das vor einigen Jahren gebaute Spital
zu betreiben. Es wurde bis zu unserer Ankunft wie ein einfaches
Gesundheitszentrum geführt – es wurden dort simple Laboruntersuchungen gemacht,
jedoch keine Operationen durchgeführt. Der Gouverneur meinte, interkulturelle
Mitarbeitende blieben länger vor Ort und würden sich für das Spital stärker
engagieren als andere Personen. Hier arbeite ich nun als Hebamme und
Pflegefachfrau.
Wie
ist es, in der Abgeschiedenheit im Tschad zu leben?
Man muss es aushalten können,
isoliert zu leben. WhatsApp, E-Mail und Telefon fallen öfters aus. Ich bin eine Person, die Abwechslung
liebt. Aus Sicherheitsgründen können wir leider keine Ausflüge machen, auch keine
Spaziergänge ohne (männliche) Begleitung ausserhalb der Oase. Da ich Single
bin, brauche ich jeweils ein Ehepaar, das mitkommt. Die Umgebung ist aber sehr
schön. Wir sind von Bergen umgeben und auf der offenen Talseite sind in der
Ferne die einzelnen Bergketten zu bestaunen.
Welche
Herausforderung haben Sie im Alltag in der Wüste?
Sind
die Menschen in dieser Gegend am christlichen Glauben interessiert?
Sie sind sehr misstrauisch und haben
viele falsche Vorstellungen vom christlichen Glauben. Sie sind überzeugte Muslime
und alle anderen sind in ihren Augen «Heiden». Öffentlich Interesse am
christlichen Glauben darf nicht gezeigt werden.
Was
berührt Sie bei Ihrer Arbeit?
Immer wieder erleben wir, dass
Konflikte mit Gewalt und viel Ungerechtigkeit «gelöst» werden. Freundlichkeit
ist ein Zeichen von Schwäche. Personen aus anderen ethnischen Gruppen werden
oft herablassend oder wie Minderwertige oder Entrechtete behandelt. Es ist
nicht leicht, dieses Volk zu lieben. Dennoch haben die Frauen und Männer
hier wie alle Menschen das Bedürfnis, geliebt zu werden. Immer wieder merke
ich, wie sie selber unter ihrem System leiden. Das weckt Mitgefühl. Es berührt
mich auch, wenn ich sehe, wie zärtlich Väter aus diesem Volk mit ihren Kindern
umgehen können.
Können
Sie die eine und andere Geschichte erzählen, wo Einheimische durch die Arbeit
von SAM global etwas mit Gott erlebt haben?
Wir können nicht öffentlich über
unseren Glauben sprechen. Unser Leben soll ein Zeugnis sein und Fragen
aufwerfen. Gott schenkt uns Liebe für die Menschen hier und im Spital
engagieren wir uns für die Patienten. Das spüren sie und macht sie fragend. Die
kürzlich eingeführte Behandlung einer für Kinder tödlich verlaufenden
chronischen Erkrankung hat sich im Gebiet, das circa so gross ist wie die
Schweiz, herumgesprochen. Nach nur einem Jahr Anwesenheit merken wir, wie
Vertrauen wächst.
Was
ist Ihr Herzensanliegen?
Ich hoffe, dass unser Leben und
unsere Arbeit dazu beitragen, dass das Volk erkennt, dass es einen Gott gibt,
der sie nicht vergessen hat und sie liebt. Ich wünsche mir, dass sie ihn
kennenlernen dürfen. Mein Herzensanliegen ist, dass die Menschen erfahren
dürfen, was Versöhnung ist und so bei Konflikten nicht zu den Waffen greifen
müssen, sondern vergeben können.
Zur Webseite:
SAM Global
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Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet