Gedenkfeier für den «Pizol»
Der Seelsorger und sein Gletscher
In Zeiten des Klimawandels ist die Gletscherschmelze eine Folge, die auch in unseren Breitengraden erlebbar ist. So wurde in der Schweiz zum ersten Mal eine Gedenkfeier für einen Firn abgehalten, und zwar für den «Pizol». Der angefragte Pfarrei-Seelsorger Eric Petrini hielt eine leidenschaftliche Rede.
Zuweilen spaltet die Thematik die Menschheit, und Polemik gipfelt in Fragen wie: «Darf ich mein Auto noch lieben? Darf ich für eine Shopping-Tour in Genf einen Flug buchen? Darf ich beim Chef einen freien Tag für eine Gletscher-Beerdigung beantragen?»Dabei können Fakten von Wissenschaftlern helfen, die realistisch und sachlich sind. Matthias Huss, Glaziologe an der ETH Zürich, erklärte beispielsweise, dass der Pizol jährlich zwei Meter an Dicke verliere und somit nicht mehr als Gletscher gelte. So liessen sich rund 250 Menschen dazu bewegen, eine Gedenkfeier abzuhalten, um auf diese Missstände hinzuweisen. Der römisch-katholische Pfarrei-Seelsorger Eric Petrini packte also Mikrofon, Brot und Most ein und stieg auf den Berg...
Livenet: Wie kam die Anfrage
zu Ihnen? Und was war Ihr erster Gedanke?
Eric Petrini: Unser Pastoralteam der
Seelsorgeeinheit wurde vom Hilfswerk
Fastenopfer angefragt, ob wir eine Gedenkfeier auf unserem Pfarreigebiet in irgendeiner
Form unterstützen möchten.Ich bin selber überzeugter
Klimaschützer, begeisterter Berggänger und Bergsteiger. Deshalb sagte ich sofort zu.
Mein erster Gedanke war, dass ich unbedingt mitarbeiten möchte. Mir war aber auch bewusst, dass diese Aktion zur Unterstützung der Gletscher-Initiative sicherlich für Aufsehen sorgen und nicht überall auf Anerkennung stossen würde.
Weshalb war es Ihnen so wichtig, dieses Anliegen zu unterstützen?
Die Sorge um
die Natur und damit eben auch der Klimaschutz sind meiner Meinung nach ganz deutlich in der christlichen
Grundhaltung verwurzelt. Die Natur
behutsam zu behandeln, ist etwas, was mein Denken prägt. Und damit verbunden auch
die Frage der Wertschätzung von Lebensmitteln und Produkten und das
Hinterfragen des eignen Konsums, beziehungsweise das Entdecken der eigenen
Demut und Bescheidenheit. Wenn ich ein Brot kaufe, dann frage ich mich
tatsächlich, wer wohl z.B. den Weizen verarbeitet hat. Wenn ich diese Fragen mit
einem Gesicht (wenn auch nur in meiner Vorstellung) verbinden kann, bekommt
dieses Brot einen unschätzbaren Wert.
Es gibt einfach viel zu viel Verschwendung, Ausbeutung – und letztlich eine himmelschreiende Gleichgültigkeit und Achtlosigkeit. Wenn jemand Brot wegwirft, sehe den Bäcker, den Bauern, den Landwirten und irgendwo ein hungerndes Kind oder einen armen Rentner, der die Mülltonnen nach Essensresten durchwühlt. Und wenn ich wandern gehe und Zigarettenstummel und Bierdosen herumliegen sehe, dann finde ich das eine blanke Frechheit. Und ja, ich nehme den Müll dann mit hinunter ins Tal. Das alles schwang irgendwo mit, als ich anfing, mich mit dieser Gedenkfeier zu beschäftigen.
Was war der Kern Ihrer Rede?Ich wollte der Gedenkfeier einen geistlichen Impuls aus christlicher Perspektive gewähren. Dabei zeigte ich auf, dass der Klimawandel ein Problem ist, dem man sich nun endlich und entschieden stellen muss. Der Klimaschutz ist eine Herausforderung für alle Menschen jeglicher Herkunft, jeglicher politischer Gesinnung, jeglicher Religion. Klimaschutz und «Erhalt der Schöpfung» haben in den christlichen Kirchen sicherlich einen hohen Stellenwert, aber es darf nicht zu einer rein religiösen Angelegenheit abgestuft werden; und es ist kein Spiel.
Wie wurde die Rede
aufgenommen?
Die Rede kam, soweit ich das beurteilen kann, gut an.
Ich hatte die Menschen am Ende der Rede aufgefordert, einen Stein am Fuss der
Gletscherreste niederzulegen. Und wenn ich sehe, wie viele Steine dort
niedergelegt wurden und wie viele Menschen mir direkt gefolgt sind, haben sie
mir zumindest aufmerksam zugehört… Einige Personen bedankten sich am Ende sogar
mit Tränen in den Augen für den gelungenen Anlass.
Welches sind Ihre
Zukunftsperspektiven bezüglich der Thematik?
Ich sehe zwei Perspektiven: Entweder
es wird sich einfach so wenig und so langsam etwas ändern, dass wir die Folgen
des Klimawandels sehr deutlich zu spüren bekommen. Oder wir werden in den
nächsten Jahren eine wirklich neue Lebensweise entwickeln und das Rad der
Entwicklung weiterdrehen und eine weitere Zeitenwende beginnen.
Zur Person:
Wohnort: Mels
Familie: Meine Eltern leben in Trier, eine Schwester bei Basel und eine bei München. In Beziehung mit einer tollen
Frau aus der Nähe von Ravensburg.
Beruf: kath. Seelsorger & Forschungsassistent an der Theologischen
Hochschule Chur
Alter: 38
Hobbys: bergsteigen,
klettern, velofahren, pilgern, musizieren(Gitarre und Gesang) / Musik hören, kochen, schlafen…
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zur Rede und Feier:
Gedenkfeier Pizol
Zum Thema:
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Autor: Roland Streit
Quelle: Livenet
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