Schlussabstimmungen
Ehe, Unfruchtbarkeit und Geschlecht neu definiert
Am 18. Dezember definierten National- und Ständerat in ihren Schlussabstimmungen der Session Ehe, Unfruchtbarkeit und Geschlecht neu.
Sowohl die Vorlage zur Einführung der «Ehe für alle» wie auch die Vorlage zum Geschlechtseintrag im Personenstandsregister wurden in den Schlussabstimmungen beider Räte mit deutlichem Mehr gutgeheissen. Gegen die «Ehe für alle» formieren sich zwei Referendumskomitees, je unter dem Lead der EVP und der EDU. Letzteres tritt bereits an die Öffentlichkeit.
Was meinen die Begriffe Ehe und Unfruchtbarkeit?
Mit der Annahme der neuen Gesetzesartikel zur «Ehe für alle» wird der Ehe-Begriff auf gleichgeschlechtliche Beziehungen ausgedehnt. Bis zur Diskussion der aktuellen Vorlage waren Bundesrat, Parlament und Bundesgericht immer davon ausgegangen, dass die Ehe in der Bundesverfassung und den Gesetzen als eine auf Dauer angelegte Beziehung zwischen Mann und Frau gedacht sei. Indem der Ehebegriff neu definiert wird, wird auch die Samenspende für lesbische Paare erlaubt, da diese gemäss dem Fortpflanzungsmedizingesetz nur für Ehepaare zugelassen ist.
Weil die Bundesverfassung gleichzeitig die Samenspende nur zulässt, «wenn die Unfruchtbarkeit oder die Gefahr der Übertragung einer schweren Krankheit nicht anders behoben werden kann», wird mit der Einführung der «Ehe für alle» Unfruchtbarkeit neu im Sinne eines unerfüllten Kinderwunsches auch von lesbischen Paaren verwendet.
Stimmverhalten der Fraktionen zur «Ehe für alle»
Der Nationalrat stimmte der Vorlage mit 136 zu 48 Stimmen bei 13 Enthaltungen zu. SP-, Grüne, Grünliberale und FDP-Fraktion stimmten einstimmig dafür, inklusive ihrer Mitglieder der parlamentarischen Gruppe «Christ und Politik». In der Mitte-Fraktion stimmten 14 dagegen (dazu gehörten die drei EVP-Vertreter), 12 stimmten dafür und 4 enthielten sich der Stimme. 34 von 54 Mitgliedern der SVP-Fraktion stimmten gegen die «Ehe für alle» (inklusive dem EDU-Vertreter und der anderen Mitglieder der Gruppe «Christ und Politik»). Im Ständerat war das Resultat: 24 Ja-, 11 Nein-Stimmen und 7 Enthaltungen.
Wer stimmte für die Umdeutung des Geschlechts?
Beim Beschluss zum Geschlechtseintrag im Personenstandsregister wird de facto das Geschlecht neu definiert. Ein neuer Artikel 30b wird eingeführt. Ohne physische Grundlage können Personen ihren Geschlechtseintrag ändern lassen, allenfalls auch mehrmals. Damit wird das rechtliche Geschlecht getrennt von der körperlichen Realität. Mit 128 zu 54 Stimmen bei 13 Enthaltungen vollzog der Nationalrat diesen Schritt. SP-, Grüne, Grünliberale und FDP-Fraktion hiessen auch dieses Gesetz praktisch einstimmig gut, wieder inklusive ihrer Mitglieder der Gruppe «Christ und Politik». Die Mitte-Fraktion stimmte mehrheitlich auch dafür, die EVP-Vertreter enthielten sich der Stimme.
Eindeutig war das Verhältnis hingegen in der SVP-Fraktion: 45 von 54 Fraktionsmitgliedern lehnten die Vorlage ab, darunter auch ihre Mitglieder der Gruppe «Christ und Politik» inklusive dem EDU-Vertreter. Im Ständerat waren es 33 Ja- zu 6 Nein-Stimmen bei 3 Enthaltungen.
Pink Cross will noch mehr erreichen
Während das Referendumskomitee unter dem Lead der EDU unter anderem bedauert, dass das Kindeswohl bei der «Ehe für alle» mit der Samenspende auf der Strecke bleibe, spricht die Homosexuellen-Organisation Pink Cross von einem historischen Tag. Aber auch Pink Cross ist nicht wirklich glücklich. Sowohl die nun beschlossene «Ehe für alle», wie auch die vereinfachte Personenstandsänderung, sei alles andere als perfekt. Nicht alle Regenbogenfamilien seien durch die Ehe tatsächlich rechtlich abgesichert, nur wenn das Kind durch eine Samenbank in der Schweiz gezeugt werde. «Männerpaare, die mit einer Leihmutterschaft ein Kind kriegen, müssen weiterhin ein unnötig langes und teures Stiefkindadoptionsverfahren durchlaufen», schreibt Pink Cross. Das gleiche gelte für Frauenpaare, die eine private Samenspende oder eine Samenspende im Ausland in Anspruch nähmen. Bei heterosexuellen Paaren sei das einfacher: «Wenn sie verheiratet sind, sind beide ab Geburt eines Kindes die rechtlichen Eltern – egal, wie das Kind gezeugt wurde.»
Auch hinsichtlich des Geschlechtseintrags im Personenstandsregister gibt sich Pink Cross nicht zufrieden. «Junge trans- und intergeschlechtliche Menschen können erst ab 16 Jahren ihren Geschlechtseintrag selbstbestimmt und ohne Zustimmung beider Eltern ändern – für junge Menschen ist der heutige Entscheid damit leider ein Rückschritt zur heutigen Situation.» Die politischen Mehrheitsverhältnisse im Ständerat hätten zum Zeitpunkt keine besseren Lösungen ermöglicht. «Doch wir werden nicht aufgeben, bis wir tatsächlich und ohne wenn und aber die gleichen Rechte haben und selbstbestimmt leben können!», schreibt Pink Cross kämpferisch.
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Autor: David Gysel
Quelle: idea Schweiz
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