Sexuelle Gewalt
«SchattenDasein» – eine Kampagne gegen Menschenhandel
Mit Slogans wie «weder frei noch willig» macht das Netzwerk «Gemeinsam gegen Menschenhandel» regelmässig auf die Themen Zwangsprostitution und sexuelle Gewalt aufmerksam. Die aktuelle Kampagne «SchattenDasein» möchte genau das erreichen: die betroffenen Frauen aus dem Schatten und ihre tabuisierte Situation ins Licht zu holen.
Alice Schwarzer (77) und Frank Heinrich (56) haben auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam. Doch die Journalistin und langjährige Herausgeberin der Zeitschrift «Emma» und der Heilsarmeeoffizier und deutsche Bundestagsabgeordnete werden nicht müde, Themen an die Öffentlichkeit zu zerren, die viele lieber verschweigen würden: Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung.
Ist das denn wirklich so schlimm?
In einem Wort: Ja! Wenn in der Medienlandschaft über Prostitution getalkt und debattiert wird, dann sitzen meist diejenigen am Tisch, die nur eine verschwindend geringe Zahl der sogenannten Sexarbeiterinnen repräsentieren: Frauen, die erzählen, sie würden ihre Arbeit gern und freiwillig ausüben. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus: 90 Prozent der prostituierten Frauen in Deutschland tun dies nicht freiwillig. Und wir sprechen damit von (mindestens) 167'000 Menschen. Das sind so viele wie alle Mitglieder der Baptistengemeinden, FeGs und Methodisten in Deutschland zusammen.
«Fast alle Länder der Erde haben harte Gesetze und Strafen gegen Vergewaltigung, Folter und Entführung. Für alle drei Verbrechen sieht das Strafrecht hohe Strafen vor. Bei allen dreien wollen wir nicht die kleinste Aufweichung. […] Zwangsprostitution umfasst alle drei Verbrechen gleichzeitig, wird aber viel nachlässiger behandelt, kaum ermittelt und gelinde bestraft.» Das stellt Thomas Schirrmacher, stellvertretender Generalsekretär der Weltweiten Evangelischen Allianz und Botschafter für Menschenrechte, enttäuscht fest.
Warum ist Öffentlichkeit wichtig?
Viele Menschen haben keine direkten Berührungspunkte mit Prostitution und Menschenhandel. Andere wollen nicht wahrhaben, dass sie sogar Teil dieses menschenverachtenden Systems sind, wenn sie ein Bordell aufsuchen oder «nur mal eben» einen Porno konsumieren. Basis für jede Veränderung ist ein Umdenken in der Gesellschaft, ein Hinsehen und Aufmerksam werden auf das, was im Schatten unseres Alltags Realität ist. Dafür ist es nötig, dass der Menschenhandel ein Gesicht bekommt. Wie das von Sandra Norak, die für die Sendung «Aktenzeichen XY» erzählte, wie sie in die Prostitution gepresst wurde.
Dafür steht auch das Netzwerk «Gemeinsam gegen Menschenhandel», in dem sich 37 Mitgliedsorganisationen engagieren. Frank Heinrich ist einer der Gründer. Im Telefongespräch wies der Christ und Politiker darauf hin, dass das Herstellen von Öffentlichkeit ihr wichtigstes Ziel sei: «Wir müssen den Grundwasserspiegel der Wahrnehmung anheben, damit am Schluss auch eine neue gesetzliche Regelung entstehen kann. Ohne Awareness haben wir dazu keine Chance. Also werfen wir Licht auf das, was wehtut, und holen das Schmuddelthema und Tabu aus seinem Schattendasein.»Was können Einzelne tun?
Wenn sogar schon Politiker mitmachen, dann reicht das doch, könnte man meinen. Aber da sich offensichtlich seit Jahren kaum etwas an ihrer Situation ändert, brauchen die betroffenen Frauen mehr: Aufmerksamkeit, Unterstützung, Hilfe und Verständnis. Etliche Christinnen und Christen engagieren sich bereits gegen moderne Sklaverei und sexuelle Gewalt, doch viele tun sich einfach schwer mit dem Thema. Zu eng scheinen «Prostituierte» und «Sünderin» zusammenzuhängen. Und dann wird innerlich schnell das Label «eigentlich selber schuld» vergeben, was der Situation überhaupt nicht gerecht wird.
Dabei gibt es viele Möglichkeiten, auch im eigenen Umfeld tätig zu werden:
- Holen Sie das Thema aus dem Schatten und reden Sie darüber; unter Freunden in der Gemeinde und der Familie.
- Nehmen Sie Material von Kampagnen wie «SchattenDasein» und teilen Sie es über die Sozialen Medien.
- Regen Sie öffentliche Aktionen in Ihrer Stadt an (wie zum Beispiel in Augsburg).
- Kommen Sie mit Politikern und Abgeordneten ins Gespräch und bitten Sie sie, sich hier zu engagieren. Viele haben sie ein negatives Bauchgefühl bei der Thematik und freuen sich über Bestärkung.
- Lassen Sie sich von weiteren Ideen inspirieren.
Im Rahmen der Kampagne «SchattenDasein» zitiert Frank Heinrich die Moritat von Mackie Messer aus Bertolt Brechts Dreigroschenoper: «Und man siehet die im Lichte. Die im Dunkeln sieht man nicht.» Höchste Zeit, das Licht anzumachen!
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Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet