Tatort zum Freitod
Sterbetourismus im Unterhaltungsformat
Im Tatort-Krimi vom Bettagssonntag nimmt eine deutsche Frau in der Schweiz den tödlichen Becher und stirbt friedlich. Dagegen stemmt sich die fromme Organisation «Pro Vita». Doch ihr Leiter wird als Heuchler mit Doppelleben entlarvt.
Exit-Vorstand: ein Denkanstoss
Ein so heisses Thema als Krimi-Unterhaltung am Bettags-Sonntagabend? Der Tatort ist bekannt dafür, immer wieder den gesellschaftlichen Puls zu fühlen und aktuelle Debatten in ein Krimi-Format zu transferieren. Das kann heikel werden, wie im vorliegenden Fall, denn der Film befördert das Faszinosum Suizidhilfe und entlarvt die Gegner als Heuchler. Service public als Propaganda für ein umstrittenes gesellschaftliches Phänomen? Jürg Wiler, Vorstand Kommunikation bei Exit, hat den Film jedenfalls ausdrücklich als Denkanstoss begrüsst.
Die Gegner: Moralisten und Heuchler
Die Gegnerschaft tritt in Form der christlichen Lebensschutz-Organisation «Pro Vita» auf, die mit simplen Argumenten ohne Realitätsbezug die «Sterbehilfe» bekämpft. Deren frommer Chef unterhält im Geheimen eine Beziehung zu seiner Sekretärin und fordert sie indirekt zur Abtreibung auf, als sich ein Kind anmeldet. Man folgere daraus: die «christlichen Moralisten» gegen die «Sterbehilfe» haben selbst mehr als genug Dreck am Stecken.
Faszinosum Suizid
Der Film schliesst damit, dass sich ein Todesengel, eine Krankenschwester, selbst mit dem Gift umbringt und das beabsichtigte Sterben (das Gift konnte zuvor von der Polizei mit Wasser ausgetauscht werden) mit ihrem Handy filmt und es der Kommissarin demonstrativ vorführt. Gibt es ein Faszinosum Suizid, sodass man diese letzte Tat auch ins Netz übertragen könnte? Das wird von den Tatort-Machern zumindest suggeriert.Diskussion vor kleinem Publikum
Dem Schweizer Fernsehen ist zugutezuhalten, dass es am Sonntagmorgen das Thema am Philosophie-Stammtisch diskutieren liess und dabei auch ein vehementer Gegner jeder Suizidhandlung zu Wort kam. Allerdings dürfte die Einschaltquote dieser Sendung ungleich tiefer gewesen sein als beim Tatort am Bettags-Sonntagabend, der allerdings eine stark unterdurchschnittliche Beachtung erlebte und insbesondere von deutschen Medien kritisiert wurde.
Zum Thema:
Dossier: Sterbehilfe
Eine grundlegende Entscheidung: Sterbehilfe aus biblischer Sicht
Sterbehilfe in Belgien: Zwillinge liessen sich wegen drohender Blindheit töten
Opposition von innen: Sterbefasten – für Exit (k)ein Thema?
Exit-DOK-Sendung von SF1: Ultimative Lösung für einen psychisch Kranken?
Alles (l)egal?: Selbstbestimmung und «Bilanzsuizid»
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet