Exit-DOK-Sendung von SF1

Ultimative Lösung für einen psychisch Kranken?

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André Rieder kannte seinen Todestag schon Monate im Voraus. Der psychisch kranke Arzt und Pharmaunternehmer hatte beschlossen, sein Leben mit der Hilfe von «Exit» zu beenden.

Eine andere Lösung für seine Krankheit war für ihn unvorstellbar.

In einer DOK-Sendung von SF1 zeichnete Hanspeter Bäni die letzten Monate des früher erfolgreichen und seit Ausbruch seiner Krankheit verarmten und ständig mit der Furcht vor psychiatrischer Verwahrung lebenden André Rieder nach. Anfang der 1990er-Jahre wurde er zum ersten Mal wegen einer manischen Phase in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Es folgten weitere manische und depressive Phasen, welche zu mindestens 20 Klinikaufenthalten führten.

Tod minutiös geplant

Der 56-jährige frühere Pharmaunternehmer und studierte Arzt war von drei – Exit nahestehenden – Psychiatern bescheinigt worden, austherapiert zu sein. Nun stand sein Beschluss fest: Am 1. Dezember 2010 würde sein Todestag sein, Mit Hilfe des Giftbechers der Suizidhilfeorganisation Exit, begleitet von Mönchsgesängen aus dem Lautsprecher.
 
Er nutzte die Zeit, um sich von den teils verständnisvollen, teils bestürzten Freunden zu verabschieden und sich noch einige schöne Erlebnisse zu gönnen. Die letzten Tage und seine Beerdigung bereitete er minuziös vor. «Wenn ihr an mich denkt, seid nicht traurig.» schrieb er in seiner eigenen Todesanzeige.
 
«Hanspeter Bäni zeichnet in seinem Film die Gratwanderung der Sterbehilfe in der modernen Gesellschaft auf. Ein bewegendes Dokument über einen Menschen, dem der Tod lieber ist als ein Leben mit einer psychischen Krankheit», schrieb SF1 in der Vorschau zum Filmdokument.

Austherapiert?

War André Rieder wirklich austherapiert? Bäni holte dazu auch eine Gegenposition ein. Beim Leiter der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich, Wulf Rössler. Dieser stellte den Befund „austherapiert“ in Frage – und damit auch die Rechtfertigung für Exit, dass sich der 56-jährige Kranke in einer ausweglosen Situation befunden habe. Ein gewisses Verständnis für Rieder bekundete dagegen der Freiburger Theologe und Ethiker Markus Zimmermann-Acklin.
 
Vor der Ausstrahlung hatte die Organisation Human Life International dem Schweizer Fernsehen vorgeworfen, sich von Exit instrumentalisieren zu lassen und SF1 erfolglos aufgefordert, den DOK-Beitrag abzusetzen.

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Kommentar
 
Kein öffentlicher Aufschrei
Noch vor 10 Jahren Jahren provozierte die Absicht von Exit, auch lebensmüden psychisch Kranken Suizidhilfe zu gewähren, öffentlichen Protest und scharfe Auseinandersetzungen. Damals war es bereits weithin akzeptiert, dass unheilbar Kranke Menschen die Hilfe von Exit beanspruchen, aber dass diese Dienstleistung auch auf psychisch Kranke ausgeweitet werden sollte, war noch ein Tabu.
 
Das Ausbleiben von kritischen öffentlichen Reaktionen zeigt, dass sich das geändert hat. Auch die Teilnehmer im Diskussionsforum von SF1 zeigen sich mehrheitlich froh, begeistert und dankbar für die Sendung. Diese trug denn auch wesentlich zum Verständnis für die Suizidentscheidung des Betroffenen und die Position der Suizidhilfeorganisation Exit bei.
 
Vergessen blieb dabei, dass der begleitete Suizid nicht die Lösung sein kann. Man braucht nicht das christliche Abendland zu bemühen um darauf hinzuweisen, dass eine menschliche Gesellschaft alles tun muss, um ihren alten und kranken Menschen ein menschenwürdiges Sein und Sterben zu gewährleisten. Das vielleicht bald gesetzlich geregelte Recht auf Suizidhilfe in der Schweiz könnte vom Recht auf Suizid bald zum Muss für Menschen werden, die trotz langer schwerer Krankheit der Gesellschaft und ihren Angehörigen „zur Last fallen“.
 
Leider ist gerade in unserem Land der Support für eine flächendeckende Palliativmedizin, die Schwerkranken und Sterbenden ein Höchstmass an Lebensqualität verschafft, noch zu schwach. Auch sind die Bemühungen von Organisationen und Kirchen, welche zum Beispiel Freiwillige für die Begleitung von Sterbenden ausbilden, zu wenig bekannt. Zu wenig bekannt sind auch die Erfahrungen der Theologin und Psychologin Monika Renz, welche in ihren Büchern zeigt, wie wichtig und erlebnisreich die letzte und nicht durch Suizid abgekürzte Lebensphase eines Menschen sein kann. Ob die Aufgabe für SF1 zu schwierig ist, auch solche Erfahrungen zu dokumentieren?
 
Mehr zum Thema: Was Sterbende erleben >> http://www.livenet.ch/themen/kirche_und_co/christliches_gemeindeleben/seelsorge_christliche_psychologie/145912-was_sterbende_erleben.html


Datum: 18.02.2011
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet.ch

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