Frieden ist nicht gratis

Armut ist in der Schweiz ein Tabu-Thema

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Die wachsende Armut in der Schweiz könnte zu ernsthaften gesellschaftlichen Konflikten führen, warnte der Basler Professor für soziale Arbeit, Carlo Knöpfel, am 1. Juli an einer Vernissage der Publikation «Neues Handbuch Armut in der Schweiz» in Bern.

Das Autorenteam Claudia Schuwey und Carlo Knöpfel hat bei den Ämtern in Kantonen und beim Bund nachgefragt, wie es um die Armut in der Schweiz derzeit stehe. Er habe zum Teil auch etwas «Druck» ausüben müssen, damit die staatlichen Stellen ihre Statistiken herausgaben, sagte Caritas-Direktor Hugo Fasel.

Zwei «zentrale Treiber»

Marianne Hochuli leitete bei Caritas Schweiz das neue Buchprojekt. Sie stellte in Bern den Co-Autor Carlo Knöpfel vor. Als ehemaliger Mitarbeiter von Caritas Schweiz habe er «entscheidend dazu beigetragen, das Tabu Armut in der reichen Schweiz zu brechen». Knöpfel ist heute Professor für Sozialpolitik und Sozialarbeit in Basel. In Bern nannte er die neuen Herausforderungen im Kampf gegen die Armut. Es gebe heute zwei «zentrale Treiber», welche Menschen in die Armut führen.

Der eine sei der sich verändernde Arbeitsmarkt. Viele Nischen-Arbeitsplätze gingen heute verloren. Im Dienstleistungsbereich werden diese Arbeitsplätze abgeschafft, «indem die Kunden die Arbeit übernehmen». Kassiererinnen würden überflüssig, weil sie durch Selbstbedienungskassen ersetzt würden. Der wachsende Internetverkauf führe dazu, dass in Geschäften viele Stellen wegrationalisiert werden.

Subtile Kürzungen

Den zweiten «Treiber» machte Knöpfel in der Sozialpolitik aus. In dieser stiessen zwei Zielsetzungen aufeinander. Immer mehr Menschen beanspruchten aufgrund von psychischen Problemen Sozialleistungen, etwa jene der Invalidenversicherung. Zudem gebe es immer mehr alte Menschen, die Hilfe brauchen.

Die Schweizer Politik stelle dieses System der Solidarität aber in Frage. Auf allen politischen Ebenen würde bei der Sozialhilfe «subtil» der Sparhebel angesetzt. Diese Einschnitte würden die Leute verunsichern. Die Situation werde nicht entspannt, sondern zugespitzt. «Wenn es so weiter geht, steuern wir auf ernsthafte gesellschaftliche Konflikte hin, die nicht mehr wie bisher am gesellschaftlichen Rande ausgefochten werden können», warnte Knöpfel. Der «soziale Frieden» sei einer der zentralen Standortvorteile der Schweiz. Dieser dürfe nicht gefährdet werden und «dieser ist nicht gratis zu haben».

Zum Thema:
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Datum: 04.07.2014
Quelle: Livenet / Kipa

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