Drei Typen von Gesetzlichkeit
Wenn Freude mit Stolz im Konflikt steht
Was uns normalerweise zu Freude und Freiheit führt, kann manchmal auch zu geistlicher Trockenheit führen. Der Grund liegt in Gesetzlichkeit und davon sind wir mehr betroffen als wir oft denken.
Obwohl das Wort «Gesetzlichkeit» mit unterschiedlichem Inhalt gefüllt wird, scheinen sich alle einig zu sein, dass es sich damit um etwas Negatives handelt. Ein gesetzlicher Christ erwartet Gottes Zustimmung und Segen aufgrund irgendwelcher Gesetzmässigkeit, die er, zumindest zum grössten Teil, selbst in der Hand hat. Für ihn ist Gottes Handeln vom eigenen Tun und Lassen, einem korrekten Glauben oder persönlichen Eigenschaften und Erfahrungen abhängig. Um aufzuzeigen, wie verbreitet Gesetzlichkeit ist, wollen wir drei unterschiedliche Typen von Gesetzlichkeit aufzeigen.
Moralische Gesetzlichkeit
Die moralische Gesetzlichkeit ist die bekannteste Form. Sie beinhaltet das Streben, sich selbst, die Mitmenschen und auch Gott durch gutes Verhalten zu beeindrucken. Ein vorbildlicher Einsatz in der Kirche, treues Bibellesen und vieles mehr gehören hier dazu. Die Liste der Punkte, durch welche man als Vorzeigechrist gelten will, mag unterschiedlich aussehen. Im Grunde geht es aber immer darum, das eigene Gutsein und den eigenen Wert durch gutes Verhalten zu beweisen oder zur Schau zu stellen.
An dieser Stelle ist zu beachten, dass keine Handlung an sich als gesetzlich bezeichnet werden kann. Die allermeisten Dinge, nach denen gesetzliche Menschen streben, sind gut. Gesetzlichkeit ist eine Frage des Motivs. So wird beispielsweise der Entscheid, keinen Alkohol zu trinken, erst dann gesetzlich, wenn man sich denjenigen, die diesen Entscheid nicht teilen, überlegen fühlt. Vielleicht wird sogar geglaubt, dass Gott einem aufgrund des Verzichts einen besonderen Gefallen schuldig ist. Grundsätzlich gibt es aber viele gute und von Liebe zu Gott und Mitmenschen motivierte Gründe, auf alkoholische Getränke zu verzichten. Der Verzicht auf Alkohol hat nichts mit Gesetzlichkeit zu tun, solange er durch Liebe motiviert ist. Denn grundsätzlich ist Gesetzlichkeit nicht von Liebe, sondern von Stolz, elitärem Denken oder dem Wunsch motiviert, Gott und Menschen zu beeindrucken.
Theologische Gesetzlichkeit
Auch die theologische Gesetzlichkeit hat ihre Wurzel im menschlichen Stolz. Interessanterweise tritt sie oft nach dem Entlarven der moralischen Gesetzlichkeit zutage. So wird aus dem «ich bin gut, weil ich gute Leistung bringe» ein «ich bin gut, weil ich die richtige Erkenntnis habe». So wird dann beispielsweise verächtlich auf Christen geblickt, die in ihrem Verständnis von Gnade noch nicht so erleuchtet scheinen. Dass sie dadurch Gesetzlichkeit lediglich von einer moralischen zu einer intellektuellen Sache machen, scheinen sie selbst nicht zu merken. Irgendwie ist es paradox, wenn jemand, der von der Gnade Gottes erfasst zu sein glaubt, hochmütig auf Menschen blickt, denen die «richtige» Erkenntnis fehlt. Das hat weniger mit Gnade zu tun als mit Stolz, welcher in theologischer Korrektheit Ausdruck findet.
Geistliche Erkenntnis hat keinesfalls etwas mit Gesetzlichkeit zu tun. Vielmehr ist es ein Zeichen von Reife, wenn wir unser Denken verändern und dabei Irrtümer beiseitelegen. Wie schon bei der moralischen Gesetzlichkeit liegt auch hier das Problem in unserem Stolz.
Charismatische Gesetzlichkeit
Der Begriff «charismatische Gesetzlichkeit» mag etwas missverständlich sein. Damit ist der Glaube gemeint, dass wir eine gewisse Erfahrung oder einen speziellen Frömmigkeitsstil brauchen, um «gut zu sein» und Gottes Gefallen zu finden. Charismatische Gesetzlichkeit baut auf das Erlebte und will sich dadurch von anderen abheben. So bilden sich einige ein, aufgrund ihres «Übergabegebetes» (wo erwähnt die Bibel eigentlich so etwas?) auf der «richtigen Seite» zu sein und zeigen mit dem Finger auf diejenigen, die auf andere Weise zum Glauben gekommen sind. Andere messen ihre Frömmigkeit daran, wie oft sie mit ihren prophetischen Eindrücken fremde Menschen beeindrucken können. Das Problem liegt dabei nicht in der Erfahrung, sondern im dahinterliegenden Stolz, denn erneut wird versucht, durch Erfahrungen, Fähigkeiten oder andere Eigenschaften gut dazustehen.
Verglichen mit der moralischen oder theologischen Gesetzlichkeit ist die charismatische schwerer zu erkennen. Dies liegt primär daran, dass der Erfahrung oftmals tatsächlich ein Wirken Gottes zugrunde liegt. Sobald der Stolz einzieht, wird die Freude an Jesus weichen. Wenn also mangelnde Freude durch dramatische Erfahrungen kompensiert werden will und diese Erlebnisse stets mit vielen Übertreibungen geschildert werden, sollten die inneren Alarmglocken klingeln.
Gesetzlichkeit schlummert in jedem von uns
Grundsätzlich ist es Teil unserer menschlichen Natur, dass wir uns unabhängig von Gott gut fühlen wollen. Es widerstrebt uns anzuerkennen, dass wir aus uns selbst auf keinen Fall gut genug sind, um Gott zu gefallen. Viel lieber vergleichen wir uns mit unseren Mitmenschen, um uns ihnen auf irgendeiner Ebene überlegen zu fühlen. Dadurch fühlen wir uns wertvoll. So funktioniert unser natürlicher Mensch. Ein gesetzlicher Mensch wird immer Kriterien finden, anhand deren er sich gerne mit seinen Mitmenschen vergleicht.
Wiedergeborene Menschen haben eine andere Gesinnung. Sie haben die Kraft der Kapitulation vor Gott erfahren und kennen die Freiheit, die darin liegt, nicht aufs eigene Gutsein, sondern auf die unverdiente Annahme Gottes zu vertrauen. Darin liegt Freiheit und echte Lebensfülle. Normalerweise führt dieses Ruhen in der Gnade Gottes auch zu einem moralisch guten Leben, zu wachsender Erkenntnis, einer gesunden Theologie und nicht zuletzt auch zu einer reichen Erfahrung. Sobald wir uns auf all diese Dinge etwas einzubilden beginnen, wird unser geistlichen Leben schnell verkümmern und dem alten Stolz Platz machen. Seien wir deshalb auf der Hut vor den unterschiedlichen Formen von Gesetzlichkeiten, die uns letztlich zu Stolz und Selbstgefälligkeit, nicht aber zu echter Freude führen.
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Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet