Willow-Konferenz in Winterthur
Jörg Ahlbrecht: «Wir müssen das Schweigen neu üben»
Die Willow-Creek-Tageskonferenz am vergangenen Wochenende inspirierte leitende Frauen und Männer aus Frei- und Landeskirchen durch Referate und Beispiele aus der Praxis.
Corona lässt auch Christen nur zögerlich zu Präsenzveranstaltungen zurückkehren. 250 Personen hätten am vergangenen Samstag am Veranstaltungsort Gate 7 in der FEG Winterthur dabei sein können, 150 kamen. Aber auch 15 Aussteller, vor allem aus den Bereichen christlicher Ausbildungsstätten, Hilfs- und Missionswerke, packten die Chance, vor Ort dabei zu sein und ihre Netzwerke auszubauen.
Die Chance der Gelassenheit
Nach einer berührenden Lobpreiszeit mit der Band von Stephan Pestalozzi begrüsste Moderatorin Ladina Spiess den Referenten Jörg Ahlbrecht. Als Teil des Willow-Creek-Teams Deutschland musste Ahlbrecht im vergangenen Jahr kommunizieren, dass der Willow-Creek-Kongress in Karlsruhe aufgrund eines Corona- Ausbruchs vorzeitig abgebrochen werden muss. «Du bist damals mit so viel Gelassenheit ans Mikrofon getreten», attestierte die Moderatorin dem Theologen. Sie lud ihn darum, bildlich gesprochen, in Winterthur zu einer leichten Joggingrunde ein zum Thema «Die Chance der Gelassenheit».
Ahlbrecht zeichnete das Bild des gelassenen, relaxten Jesus im Sturm. Er setzte diesen göttlichen Charakterzug in Relation mit unserer Reaktion auf die Pandemie. «Mit den Fragen, die Jesus damals seinen Jüngern stellte – Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr immer noch keinen Glauben? – fordert er uns auch heute heraus.» Ein Glaube, der es möglich macht, im Sturm ein Nickerchen zu nehmen, wachse aus der Stille, stellte Ahlbrecht fest. Wir hätten weitgehend den göttlichen Rhythmus der Sabbatruhe, des Innehaltens und Gott-Schauens verloren: «Wir müssen das Schweigen neu üben, denn Worte aus der Ruhe haben Kraft.»
Während des ganzen Referats von Jörg Ahlbrecht gestaltete die Kunst- und Ausdruckstherapeutin Christa Reusser Stichworte mittels Handlettering auf Karten. Die Zuhörenden hatten so Gelegenheit, dank entsprechender Kameraführung der Künstlerin über die Schulter zu schauen.
Der Zeitgeist lässt grüssen
Die Zeitgeistforscherin Kirstine Fratz aus Hamburg legte dar, dass der aktuelle Zeitgeist traditionelle Normen in Kultur und Gesellschaft hinterfrage und auflöse. Sie sieht darin vor allem eines: eine Chance. Der biblische Blick auf diese Tatsache mag da etwas zurückhaltender sein. Doro und Kevin Kröker aus der Chrischona Gemeinde «neuland» Buchs ZH sagten: «Die Thesen von Kristine Fratz fordern uns als christliche Gemeinde heraus, unvoreingenommen auf Menschen, die vom Zeitgeist geprägt sind, zuzugehen.»
Der Nachmittag begann mit vier Einheiten aus der Praxis und animierte Gemeindebauer, mutig Projekte anzupacken, auch dann, wenn sie menschlich als «unmöglich» taxiert werden könnten:
- Beat Ungricht berichtete von waghalsigen Entscheidungen und «heiligen Momenten» in der Verwirklichung eines Neubaus der FEG Winterthur, der zugleich Veranstaltungsort der Konferenz war.
- Christa Reusser gab den Anwesenden Einblicke in künstlerische Projekte, die kirchenferne Menschen mit Gott, seinem Wort, aber auch mit Menschen aus der Kirche in Verbindung bringen. Sie propagierte, künstlerisches Tun vermehrt in die Kirchen zurückzuholen.
- Der Unternehmer und Gründer des «Bloomell Coffeehouse», Michael K. Häfeli, erzählte die unglaubliche Story des Treffpunkts in Olten. Das Bloomell wurde 2020 mit dem «Suisse Gastro Award» ausgezeichnet.
- Die katholische Seelsorgerin und erfolgreiche Influencerin Romina Monferrini bespielt seit zehn Jahren diverse Kanäle auf Social Media; sie tut dies leidenschaftlich und professionell. Auf diesem Weg erreicht sie junge Menschen, die Fragen nach Gott und dem Sinn des Lebens stellen, und begleitet sie seelsorgerlich.
«Die Welt sehnt sich nach dem göttlichen Liebhaber»
Das Abschlussreferat bestritt der katholische Referent und Autor Otto Neubauer. Er malte den Zuhörern eindrücklich vor Augen, wie sehr sich die Welt nach dem göttlichen «Liebhaber» sehnt und wie notwendig es ist, den Menschen dessen Liebe in persönlichen Kontakten nahezubringen.Anhand der irischen Sängerin Billie Eilish, welche mit ihren Song Millionen Jugendliche erreicht, zeigte er die Sehnsucht nach einem Zuhause auf. «Billie Eilish spricht etwas tiefes in der Seele an, wenn sie von ihrem Gefühl der Verlassenheit, Einsamkeit und Verrissenheit singt. Da zeigt sich dieser Wunsch, heimzukommen, wenn sie zum Beispiel singt 'I don’t wanna be lonely. So show me the way home'.» Als Christen hätten wir eine einmalige Chance, in diese Sehnsucht mit der Liebe Gottes zu antworten. Denn Gott habe eine leidenschaftliche Liebe für seine Kinder. «Er wünscht sich nichts mehr, als dass die Kinder nach Hause kommen können.»
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Autor: Helena Gysin / Florian Wüthrich
Quelle: IDEA Schweiz / Livenet