Hirnforscherin und Pfarrer

Livenet-Talk: Was kann ich zu Glück und Gesundheit beitragen?

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Barbara Studer und Stefan Gerber (Bild: Facebook / schulbehoerdenbern.ch)
An oberster Stelle des Lebensziels steht bei vielen Menschen Glück und Zufriedenheit. Dass dieser Zustand aber nicht von allein kommt, ist ebenfalls vielen klar. Aber wie sieht diese Suche nach dem Glück aus? Bedeutet es, dass wir gar nicht mehr unglücklich sein dürfen? Und was hat Jesus mit dem Thema zu tun?

Im Livenet-Talk dieser Woche erzählen Barbara Studer, Dozentin und Hirnforscherin, sowie Stefan Gerber, Pfarrer und Coach, von ihren Erfahrungen. Barbara Studer forscht und begleitet Personen und beobachtet dabei, was regelmässige Übungen oder Aktivitäten an anhaltenden Veränderungen mit sich bringen. Kreatives Denken könne etwa durch tägliche Übungen beeinflusst werden, was dann die allgemeine Lebenszufriedenheit beeinflusst, aber auch dabei hilft, mit Stressituationen kreativ umzugehen.

Ein Auftrag von Gott

Stefan Gerber dagegen hat ein Buch zum Thema Lebenszufriedenheit geschrieben und führte Anfang des Jahres mit seiner Gemeinde die Aktion «Sieben Wochen für mein Glück» durch – eine Art, aktiv nach Zufriedenheit im Leben zu suchen (Livenet berichtete). Doch dürfen wir als Christen überhaupt unser Glück selbst in die Hand nehmen, wenn wir an einen souveränen Gott glauben, fragt Moderatorin Debora Alder-Gasser? Wir sollen und wir müssen, empfindet Stefan Gerber. «In der Schöpfung hat Gott uns einen Auftrag gegeben, zu bebauen und zu bewahren (…) und das bedeutet, dass wir mit allem gut umgehen, was Gott geschaffen hat – auch mit uns selbst und mit anderen.» Und das hat mit Glücklichsein und Lebenszufriedenheit zu tun. Der biblische Ausdruck «Shalom», der für das ganzheitliche Versöhntsein mit Gott, mit sich selbst und mit der Umgebung steht, sei für ihn ein anderes Wort für «Glück». «Am Anfang steht für mich der Auftrag, dass wir unser Leben gestalten sollen mit unserem Sein, unseren Beziehungen, mit der ganzen Schöpfung, und da sind wir gefragt, aktiv zu werden.»

Auch Jesus und der Glaube selbst spielen auf der Suche nach der Lebenszufriedenheit eine grosse Rolle. «Ich glaube, dass Gott uns mit unserer Psyche und unserem Körper geschaffen hat und wenn ich die als Psychologin erforsche, dann ist es wie ein Entdecken, wie Gott uns geschaffen hat, aber auch ein Entdecken, wie wir unsere mentale und körperliche Gesundheit unterstützen können», empfindet Barbara Studer. Deshalb stünden Psychologie und Glücksforschung nicht im Widerspruch mit dem Glauben. Auch persönliche Sinnhaftigkeit spiele in der positiven Psychologie eine grosse Rolle. «Wenn ich an etwas Grösseres glaube und mit dem, wie ich lebe und was ich tue, jemand dienen kann, der grösser ist als ich, dann ist das sehr sinnstiftend, tragend und trägt entsprechend auch zum persönlichen Glück bei.»

Was macht mich glücklich?

Aber wie kann so ein erfülltes Leben konkret aussehen? Stefan Gerber hat im Zusammenhang mit seiner Forschung 16 Aktivitäten gefunden, die ihn persönlich glücklich machen – etwa mit seiner Frau fein essen zu gehen, dankbar zu leben, Wertschätzung weiterzugeben – und diese Aktivitäten versucht er nun regelmässig in sein Leben einzubauen. Für Barbara Studer ist ein aktives, engangiertes Leben ganz wichtig, «weil man dann einerseits mehr in Kontakt kommt mit Menschen und weniger zurückgezogen lebt – das ist einer der stärksten Glücksfaktoren überhaupt – und andererseits, wenn man etwas weitergibt, und wir uns nicht um uns selbst drehen…» Dies trage nicht nur zum persönlichen Glück bei, sondern sei auch präventiv gegen Depressionen.

Freude weiterzugeben ist aber auch anstrengend – surft man am Abend passiv im Internet herum, oder nimmt man aktiv den Hörer in die Hand und ruft jemanden an, weil ich den Eindruck habe, es würde dieser Person gut tun? Um diese gewisse Überwindung zu unterstützen, helfe es, sich vorzustellen, was etwa ein Anruf bei dieser Person auslösen würde. Emotionen, so erklärt Barbara Studer, seien immer stärker als rationale Gedanken und könnten einen guten Motivator bilden. «Ich merke in meinem Alltag, dass es so gut tut, wenn ich verschiedene Möglichkeiten geniessen kann, um mit Menschen in Kontakt zu kommen, etwas weiterzugeben und Spuren zu hinterlassen.»

Unglücklichsein nicht erlaubt?

Wenn es um die Suche nach einem glücklichen Leben geht, könnte es einem fast so vorkommen, als ob man gar nicht mehr unglücklich sein darf. Zwei Strömungen machen Stefan Gerber zu schaffen: Zum einen diejenigen, die sagen, man solle gar nicht nach dem Glück suchen, sondern eher dem Unglück Platz machen – und auf der anderen Seite diejenigen, die das positive Denken (im Gegensatz zur positiven Psychologie) betonen: Wer es sich nur vorstellt, der kann das Gute in seinem Leben beeinflussen. «Leider gibt es auch viele Kirchen, die so funktionieren und sagen: 'Nächstes Jahr wird das beste Jahr deines Lebens, alles wird immer besser.' Das stimmt schlussendlich nicht.»

Es sei wichtig, auch Phasen des Unglücklichseins im Leben zu integrieren. Dies habe auch mit dem zuvor erwähnten «Shalom» zu tun, mit dem Versöhntsein mit allen Lebensbereichen: «Ich kann zulassen, dass es Sachen gibt, die einfach nicht gut sind…» Das zeigten auch die Klagepsalmen – und als Christen können wir eben auch zu Gott kommen und ihm unser Unglück klagen. «Gott kann da viel mehr aushalten, als wir manchmal das Gefühl haben.

Beide Talkgäste betonen immer wieder die Ganzheitlichkeit – Integration von Gutem und Schlechtem im Leben. Und, so erklärt Barbarar Studer, es darf nie krampfhaft werden. «Alles, was zwanghaft und verkrampft wird, ist nicht gesund. (…) Wir sind keine 'Glücksroboter', sondern wir sind Menschen mit Ups und Downs, Menschen mit Leistungsschwankungen und zwar sehr starken und die dürfen wir bejahen und umarmen.»

Sehen Sie sich hier den Livenet-Talk an:

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Datum: 21.05.2021
Autor: Rebekka Schmidt
Quelle: Livenet

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