Wenn Menschen ehrlich werden
Glaube in der Pandemie: «20 Minuten» spricht Klartext
«Mein Glaube war im letzten Jahr mein einziger Halt»: unter diesem Titel liess «20 Minuten» gestern sechs Personen zu Wort kommen, deren Glaube sich unter Corona verändert hat – eine ermutigende Bestandesaufnahme.
«Durch die Pandemie rückten die Themen Tod und Vergänglichkeit in den Fokus» stellt das Online-Magazin «20 Minuten» in der Ausgabe vom 15. April fest. Viele Menschen würden sich mit ihren Fragen an religiöse Institutionen wenden. Sechs Personen geben offen Auskunft, was Corona mit ihrem Glauben gemacht hat.
«Gott nahm mir meine Angst, meinen Frust»
«Für mich war der Glaube im letzten Jahr mein einziger Halt», bekennt Lorena Maida (32). Nach einer Zeit des Nicht-Wahrhabenwollens nahm das Virus plötzlich viel Raum in ihrem Denken ein und raubte ihr gar die Lebensfreude. «In diesem Moment wandte ich mich an Gott. Er nahm mir meine Angst, meinen Frust. Er zeigte mir, in der Bibel, im Gebet und beim Singen von Psalmen, dass er gute Pläne mit uns hat.» Sie sei schon vorher gläubig gewesen, kam aber erst durch diesen Tiefpunkt wieder bewusster und intensiver in Kontakt mit Gott: «Nirgendwo anders finde ich zur Zeit meine Ruhe und Hoffnung. Ich bete deshalb auch regelmässig, wenn sich beispielsweise der Bundesrat trifft. Auch wenn ich vielleicht mal nicht mit allem einverstanden bin, bete ich für die physische und psychische Gesundheit unserer Landesregierung, die so eine grosse Verantwortung tragen muss und das Beste für unser Land gibt.»
«Auf etwas vertrauen»
Für den 21jährigen R.R. hat sich sein Glaube an Allah verstärkt: «Der Glaube hat mir geholfen, die Hoffnung nicht zu verlieren und auf dem richtigen Weg zu bleiben», bekennt er. Für ihn und die Gesellschaft sei es «essentiell, dass wir auf etwas vertrauen können während dieser schwierigen Zeit – als Wegweiser in einer schwierigen Welt, die durch ein kleines Virus komplett auf den Kopf gestellt wird».
An dieses «Etwas», eine «undefinierte höhere Macht» glaubt auch Günther Zwahlen (60), der sich als «christlich-reformiert» bezeichnet; das Virus hat sich seiner Meinung nach ausgebreitet, «um den Planeten vor unserem Raubbau zu beschützen und die Natur in einem Gleichgewicht zu halten».
«Jesus ist durch die Pandemie für mich zu einer Konstante geworden»
Jonas Greuter (27) hat mit seiner kleinen Firma durch Corona einige Risiken erlebt und auch falsche Entscheidungen getroffen, aber: «Gott hat mich aufgefangen. Ich konnte meine Sorgen in seine Hände legen.» Früher war er der Meinung, er sei Christ, gläubig, und darum solle Gott alle seine Bedürfnisse erfüllen. Durch die Corona-Krise änderte sich diese Einstellung gründlich: «Doch nun wurde mir bewusst: Er selbst ist das einzige, was ich wirklich brauche. Durch ihn erlebe ich innere Freude – und damit die Befriedigung aller meiner Bedürfnisse.»
«Ich habe meine erste Bibel gekauft»
T.Z. (25) ist katholisch aufgewachsen; durch die Trennung vom Partner wurde sie sehr einsam. «An diesem Tiefpunkt kam ich per Zufall in Kontakt mit einer christlichen Glaubens-Gruppe. Ihre Ansätze und ihr Glaube boten mir eine neue Perspektive. Seitdem nehme ich regelmässig an diesen Meetings teil, lese Bücher zum Thema und höre Predigten.» Mittlerweile hat sie ihre erste Bibel gekauft, und der Glaube hat ihr «enorm geholfen: Auch wenn ich jetzt auf einer einsamen Insel wäre – ich weiss, ich bin nicht alleine.»
Auch Gerdina B. (66) ist durch Corona näher zu Gott gekommen: «Vor der Pandemie lebte ich zwar christlich, habe mich aber nicht mehr so darum gekümmert. Dann hatte ich aber in der ersten Welle mit Angstzuständen zu kämpfen und merkte, dass ich so nicht weiterleben kann. Ich wendete mich an Gott: 'Wenn du mich liebst, holst du mich da raus'.» Heute bekennt sie: «Er hat mich vom Druck von aussen befreit, heute bin ich frei von allem. Ich stehe freudig auf, bete mehrmals täglich und höre am Abend regelmässig Botschaften der niederländischen Kirche.» Wenn auch die Pandemie ihrer Meinung nach erst der Anfang einer «grossen Endzeit» ist, hat sie heute keine Angst mehr vor Corona oder dem Tod: «Denn wenn ich sterbe, weiss ich, wo ich hinkomme.»
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Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / 20 Minuten