Klingt gut – kommt an
Poetry Slam für den Glauben
Während andere ihre freien Tage geniessen, treffen sich etliche junge Menschen an Ostermontag in Bayern zu einem Kampf – einem Dichterwettkampf. Beim Poetry Slam setzen sie sich ehrlich, nachdenklich und wortgewaltig mit dem Glauben auseinander. Inzwischen hat dieses Format bereits Geschichte.
Muss man Poetry Slam noch erklären? Oder anders: Lässt sich das Phänomen überhaupt erklären? Es wäre einen Versuch wert. Meist junge Leute stellen sich hinter ein Mikrofon und rezitieren ihre eigenen Texte und Gedichte. Sie haben dafür nur wenige Minuten Zeit, und das Publikum kürt anschliessend den Sieger oder die Siegerin für den besten Text und die beste Performance. Was sich hier sehr nüchtern liest, hat seit 1986 von Chicago ausgehend die ganze Welt erobert. Denn das längst etablierte Format des Poetry Slams ist eine unnachahmliche Art, Sprachwitz, Gefühl und eigenes Erleben in Worte zu fassen.«Was glaubst du denn?»
Unter diesem Motto laden Christen in Landshut zu einem Poetry-Slam an Ostermontag ein. Denn Wortkunst funktioniert nicht nur an der Uni oder in der Kneipe. So sind hier junge Christen eingeladen, öffentlich darüber nachzudenken, was sie trägt, woran sie ihre Hoffnungen festmachen, was ihnen Angst macht, aber auch, wie sie ihren Glauben in Worte fassen. Die Journalistin Brigitte Bitto kündigt im Sonntagsblatt an: «Erfahrene Slammer treten gegen junge Poeten an, die zuvor in einem Schreibwettbewerb ausgewählt wurden. Das Publikum wird die besten Texte küren.» Erfahrungsgemäss wird das «Batteln» der Kontrahenten eher friedlich und freundlich ablaufen und die eigentlichen Sieger sitzen im geniessend im Publikum.
Glaube in Reimform
Viele Ältere bringen kaum zusammen, was da geschieht: Da schreiben junge Menschen ein Gedicht über etwas, was sie zutiefst bewegt, und tragen es öffentlich vor? Ganz genau. Aber da leiert nichts. Da sind weder Langeweile noch Druck zu spüren, sondern Spass an Sprache und daran, das in Worte zu fassen, was das eigene Leben und Erleben ausmacht. Manchmal klingt das ganz einfach gereimt, gelegentlich rappt der Text und ab und zu ist es reine Prosa. Die einen Texte sind brav und freundlich, andere frech, trotzig, fragend. Sie sind so unterschiedlich wie die Menschen auf der Bühne und ihre Lebenssituationen.
Die deutschsprachige Slam-Szene gilt als eine der grössten der Welt und etliche Slampoeten sind inzwischen einem breiten Publikum bekannt: Sebastian23, Julia Engelmann, Lars Ruppel, Hazel Brugger, Patrick Salmen oder Fee. Nicht so bekannt ist, dass sich auch unter Christen seit einer Weile vielversprechende Talente auf den Bühnen tummeln.
Treffend formuliert und getroffen
Zu den bekannteren christlichen Vertretern gehören Jana Highholder und Marco Michalzik. Im wahrsten Sinne des Wortes reden sie über Gott und die Welt. Sie machen ihren Lobpreis und ihre Zweifel zu einem Gedicht und treffen dabei immer wieder den Nerv bei ihren Zuhörern. Man kann sie live auf der Bühne, im Jugendgottesdienst oder bei Grossveranstaltungen erleben. Oder man reiht sich bei Zehntausenden von Mithörern ein und sieht ihnen bei Youtube zu. Die Kommentare dort sprechen für sich: «So Hammer ermutigend!», «Wie krass. Das hat mich echt zum Nachdenken gebracht!», «Bin total berührt. So schön, so tief. Danke!»
Poetry-Slam schafft Abstand. Denn ich kann den Gedanken zuhören, die sich andere gemacht und sie dann in Reime gepackt haben. Gleichzeitig schafft Poetry-Slam eine ungeheure Nähe. Weil es einfach Sprache des Herzens sein kann.
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Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet