Schule zu Hause
Sieben auf einen Streich
Ein Unfall führte dazu, dass Annekäthi Etter begann, ihre Kinder selber zu unterrichten. Inzwischen sind sie und ihr Mann Christian davon begeistert. Sie geben ihren sieben Kindern mit, was ihnen an Werten wichtig ist.
Eine gepflegte Frau mit zwei herzigen Säuglingen auf dem Arm öffnet die Tür. Annekäthi Etter wirkt entspannt. Sie hat mit ihren Kindern Apfelwähe gebacken und den Tisch gedeckt. Dort erzählt sie, weshalb sie zu Hause unterrichtet: «Weil David vor fünf Jahren einen Oberschenkelknochen gebrochen hatte, musste er drei Wochen im Bett verbringen.» Vater Christian ist Arzt, daher durfte der damals zweijährige David seine Genesungszeit zu Hause verbringen. Zusammen mit Anna-Sophia und Säugling Samuel genoss er jeden Tag die Zuwendung der Mutter, die als Kindergärtnerin und Sonntagsschullehrerin viel Erfahrung darin hat, Kleinkinder zu beschäftigen, zu fördern und ihnen den Glauben an Jesus lieb zu machen. «Die Kinder machten prima mit und nach den biblischen oder anderen Geschichten, dem Singen und Basteln war ihr Liebestank jeweils so voll, dass sie friedlich spielten.»Weshalb also die gute Gewohnheit nicht beibehalten? Die Etters kennen eine andere Familie, die mit Freunden als Grossfamilie zusammenlebt, seit Jahren Schule zu Hause praktiziert und sie dazu ermutigt hat. Schliesslich entscheiden Christian und Annekäthi Etter, Anna-Sophia nicht in den öffentlichen Kindergarten zu schicken. Sie beantragen für ihre Älteste eine Bewilligung für den Unterricht zu Hause. Annekäthi erinnert sich: «Wir haben Gott gefragt, ob das in seinem Sinn ist, und bisher haben wir immer wieder Frieden darüber erhalten.»
Schulreifetest sehr gut bestanden
Als Anna-Sophia den Schulreifetest absolvierte, gehörte sie zu den Besten. Sie wäre in ihrer Altersstufe unterfordert gewesen. Durch die persönliche Betreuung zu Hause kommt sie sehr schnell vorwärts. Auch die anderen Etter-Kinder profitieren vom Heimunterricht durch ihre Mutter. Rund alle eineinhalb Jahre kam ein Geschwister dazu, sodass heute sieben Kinder die Viereinhalb-Zimmer-Wohnung in Madiswil BE bevölkern. Catharina und Christina sind mit ihren sechs Monaten die Jüngsten. Sie liegen jeweils im Bettchen oder auf einem Teppich im Wohnzimmer, wo eines der drei Grösseren seine Aufgaben erledigt. «Beim Frühstück lesen wir die Losungen und beten, dann besprechen wir, welches Kind welche schulischen Aufgaben zu erledigen hat», erklärt die Mutter. Nach der Erledigung der Ämtli im Haushalt arbeiten sie zweimal eine Stunde in drei verschiedenen Räumen am Schulstoff, dazwischen gibt es Znüni. Im Stübli, dem Stuhlkreis wie im öffentlichen Kindergarten, verbringen sie die gemeinsame Zeit. Hier wurde zum Beispiel der Zirkus Bambino geplant, zu dessen Aufführung die Nachbarschaft eingeladen wurde. «40 Personen versammelten sich bei uns und schauten zu!», lacht Annekäthi Etter. Nachmittags arbeiten die beiden Schüler nochmals eine Stunde jeder für sich, dann ist Spielzeit.
Die Lehrmittel selber wählen
Das Ehepaar Etter erachtet es als Vorteil des Unterrichtens zu Hause, dass sie die Lehrmittel selbst auswählen können. Abends bereitet Annekäthi jeweils die Lektionen vor. Sie hält sich dabei an den Lehrplan und nutzt gleichzeitig den Freiraum, den er erlaubt. So lernen ihre Kinder das Lesen nicht mit Geschichten über Hexen oder Zauberer, dafür anhand von Texten der Bibel oder Kinderbüchern wie «Nicht wie bei Räubers». Auch Themen können flexibel eingesetzt werden. «Als Anna-Sophia Mühe hatte, die Uhrzeit zu verstehen, liessen wir das eine Weile weg und beschäftigten uns mit anderem. Später erfasste sie problemlos, wie sie die Zeit ablesen konnte», sagt Annekäthi Etter. In der öffentlichen Schule ist das nicht möglich und Entmutigung daher vorprogrammiert.
«Weil alle hier sind, fällt auch der Stress der verschiedenen Schulwege, Elternabende und anderes weg, das laut Erzählung von Freunden oft nur noch wenig Familienzeit ermögliche.» Da die Geschwister hören, welche Aufgaben den anderen gestellt werden, schnappen sie Themen auf, die erst später auf ihrem eigenen Stundenplan stehen. Ihr Interesse ist aber schon geweckt und Lerninhalte präsentieren sich wie ein spannendes neues Spiel. Beim Ritual vor dem Schlafen, dem Singen und Beten, ist auch Christian Etter mit den Zwillingen im Arm dabei. Sie nehmen die friedliche Stimmung offenbar auf, und wenn doch eines muckst, kommt schnell eine Schwester oder ein Bruder, um es zu streicheln oder ein Spielzeug zu bringen.
Ballett und Geräteturnen
Am Samstag bringt der Papi die vier Älteren ins Kunstturnen, wo sie zwei Stunden trainieren. Anna-Sophia besucht ausserdem Ballettstunden und die Geschwister spielen viel draussen mit den Nachbarskindern. «Gott wird jedem Kind seine Herausforderung schenken, die es jetzt noch nicht hat», davon sind die Eltern überzeugt. Wie lange sie den Heimunterricht weiterführen, machen sie von Gottes Führung abhängig. Am Freitag treffen sie sich jeweils mit Freunden, um ihren Glauben zu teilen und zu stärken. Mit sieben Kindern ist der Besuch einer Kirche im Moment sehr aufwändig. Freunde springen immer wieder mal ein, um die Familie zu entlasten, wenn es nötig ist, oft auch spontan.
Für Christian und Annekäthi Etter sind ihre Kinder ein Geschenk und Segen Gottes. Sie vermissen es nicht, nicht ausgehen oder weite Reisen unternehmen zu können. Vieles haben sie schon erlebt, heute nutzen sie die Zeit, ihren Kindern Wesentliches mit auf den Weg zu geben. «Gott hat uns immer Freude und Kraft geschenkt, wenn wieder ein Baby da war», bestätigt Annekäthi und verrät schmunzelnd: «Die Hormone und der Herr helfen.»
Bildung zu Hause
Der Verein «Bildung zu Hause» hat 2013 ein Rechtsgutachten erstellen lassen, das zu folgendem Schluss kam: «Im Kontext der Grundrechte ist es prioritär Aufgabe der Eltern und nicht des Staates, das Kindswohl und damit die Unterrichtspflicht und die Sozialisation zu verwirklichen.»
Die Kantone pflegen eine unterschiedliche Handhabung in Bezug auf den Schulunterricht zu Hause.
– In diesen Kantonen gilt ein Verbot: OW, TI, UR
– Diese Kantone verlangen ein Lehrerpatent: VS, ZH
– Diese Kantone verlangen ein stufenabhängiges Lehrerpatent: AI, GL, GR, LU, SG, SO, SZ, BL
– Diese Kantone verlangen ein Dispensgesuch: AG, AR, BE, GE, JU, NE, VD.
Dazu können Auflagen kommen wie Vorlegen des Stundenplans und eine Person mit Lehrerpatent als Ansprechperson. Nach Voranmeldung sind Schulbesuche zu Hause mit Befragung der Kinder und Sichtung des Lehrmaterials möglich. Es besteht die Möglichkeit, sich als Heimschule regional zu vernetzen. Familie Etter macht von diesem Angebot noch wenig Gebrauch, da sie mit Familie und Praxis bereits einen ausgefüllten Wochenplan haben. Schweizweite Vernetzung bietet der Verein Bildung zu Hause.
Zur Webseite:
Bildung zu Hause
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Autor: Mirjam Fisch-Köhler
Quelle: ideaSpektrum Schweiz
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