Drama

„Täufergricht“

Im Herbst des Emmentaler Täuferjahrs spiegelt ein Drama die damalige Verfolgung eindringlich an der heutigen Toleranz.

Wenn die Gäste im Gerichtssaal eintreffen, fragt sie eine Journalistin des Lokalradios gleich nach ihrer Meinung zum Thema. Die Konfrontation zieht sich durch den Abend: Das Stück ‚Täufergricht’ versetzt ins frühe 18. Jahrhundert, doch verhandelt wird der Fall nach moderner Manier. Damals und Heute prallen aufeinander. Das Justizdrama verquickt die Ebenen und verdichtet so, was die eigentümliche Dynamik des Emmentaler Täuferjahrs 2007 ausmacht: historische Zusammenhänge zu berücksichtigen und zugleich zu sprengen.

Vorurteil und Sturheit

Geschrieben hat das Stück der Laupener Lehrer Marcel Reber, der mit seiner ‚Täuferjagd’, vor zwei Jahren auf der Moosegg bei Langnau aufgeführt, den Emmentalern die Augen öffnete. Diesmal spielt Peter Leu, 2005 Regisseur, selbst mit und gibt den Verteidiger der Täufer. Dieser will weit mehr als einen Freispruch für die Angeklagte (Edith Frei) erwirken: Er will „das Gestrüpp von Sturheit, Vorurteil und politischem Kalkül“ bei der Täuferverfolgung durchleuchten und aufzeigen, was die Verflechtung von Staat und Kirche im Lauf der Geschichte mit sich brachte.

Unbeirrbar schief polemisiert der Langnauer Prädikant Johann Jakob Wyttenbach, der als Zeuge aussagen sollte, gegen die Täufer: Nicht bloss eigenwillige, eigenbrötlerische Frömmigkeit, sondern „Ungehorsam, Häresie, Absonderung und verderblichen Einfluss aufs Volk“ wirft er ihnen vor. Überall missionierten sie, schimpft der reformierte Scharfmacher, wie die Angeklagte und zwei weitere Zeugen eine historische Gestalt. Dass es anders gesonnene Kirchenmänner gab, wird im Stück angedeutet.

Einblicke und Wertungen

Ist die Täuferverfolgung eine von vielen historischen Episoden („Wo Mönsche sy, wird glätzget“) oder exemplarisch für überdrehtes staatliches Machtgebaren, dem die Menschlichkeit zum Opfer fällt? Gegen die moderne Sicht hat der Staatsanwalt (Dieter Stoll) einen schweren Stand; sein Aufbrausen hilft ihm nicht. Der Verteidiger hat einen Wanderprediger als Zeugen bestellt, der das harte Los der Verfolgten schildert. Im Kreuzverhör muss er allerdings auch über die schmerzhafte Spaltung im Täufertum (Amische verschärften die Gemeindezucht durch Meidung) Auskunft geben. In einer anderen informativen Sequenz erfahren die Zuschauer, wie die Täuferkammer der Gnädigen Herren zu Bern mit dem Gut umging, das bei der Konfiszierung von Täuferhöfen anfiel.

Was gefährdet den Staat?

Im Schlussplädoyer führt der Staatsanwalt an, die Gesellschaft brauche Regeln. Die Obrigkeit habe in der Reformationszeit mit Nulltoleranz die staatliche Ordnung gesichert. Sie müsse den Anfängen wehren, wenn die Autorität des Staates untergraben werde, denn „viele Rinnsale ergeben einen Wildbach“. Der Verteidiger hält dagegen, die Täuferinnen und Täufer hätten bloss ungestört ihren Glauben leben wollen. Dass sie den Finger auf offene soziale Wunden legten, dass Unsittliches, „Vetterli- und Pfründenwirtschaft“ ans Licht kamen, könne man ihnen nicht anlasten. Bald drei Jahrhunderte nach ihrer Gründung sei die reformierte Staatskirche längst gefestigt gewesen. In einer persönlichen Schlussbemerkung zieht der Verteidiger die Linie zu Minderheiten aus, die heute um Akzeptanz kämpfen.

Nun im Schloss Trachselwald

Das vielschichtige Stück, von markanten Darstellern unter der Regie von Pierre Kocher in saftigem Bärndütsch gegeben, endet mit dem Urteil des Richters. Es soll hier nicht verraten werden. Nach ersten Aufführungen auf dem Bienenberg bei Liestal, dem Ausbildungs- und Tagungszentrum täuferisch-mennonitischer Gemeinden, kommt das Drama in dieser Woche ins Schloss Trachselwald bei Sumiswald, dort wo einst der Landvogt verhörte und richtete. Wegen der starken Nachfrage wurden Zusatzvorstellungen angesetzt. Das Täuferjahr ist noch nicht zu Ende.

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Datum: 12.11.2007
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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