Berufen – was bedeutet das?
Teil 2: Gott hören
Jeder Christ ist von Gott berufen. Doch es gibt ganz unterschiedliche Wege, wie Gott seine Beauftragung zusprechen kann. In dieser Miniserie zeigt Werner May verschiedene Bereiche auf, in denen wir offen für Hinweise auf die eigene Berufung sein dürfen.
Beauftragungen offenbaren sich durch das Reden Gottes, als Ruf oder auch als Antwort auf eine Bitte von uns. Lesen wir biblische Beispiele dazu, scheint es relativ leicht, Gott zu hören, schon etwas schwerer, ihn zu verstehen. Ob er heutzutage ebenfalls so klar spricht und wie wir ihn verstehen können, ist uns dagegen um einiges weniger deutlich. Damit wir erkennen, dass ein Eindruck von Gott kommt, braucht es immer Glauben.
Es ist ein Vertrauenslernprozess
In diesen Lernprozess darf ich mit Vertrauen gehen! Denn Gottes Reden ist nicht nur etwas für Besondere und ich muss mich nicht zuallererst auf das Prüfen konzentrieren! Wir können Gott hören! Wir können Gott hören, weil wir zu seinen engsten Freunden gehören. Und weil er gerne zu uns spricht. Gott hören ist leicht, allerdings stand es nie auf unserem Stundenplan. So haben wir eher das Gegenteil erfahren und sind sehr, sehr skeptisch. Bemerkungen wie «Gott sagte mir» oder «Jesus machte mir deutlich» lassen aufhorchen.
Was passiert, wenn Gott spricht? Wie hört man ihn? Woher hat man die Sicherheit, dass es Gott ist?
Gott hören ist ein Glaubenswagnis
Ich sprach immer wieder mit Menschen darüber, was in ihnen vorgeht, wenn sie Gott hören. Dabei fand ich heraus, dass sich hinter Erzählungen wie «Gott sprach zu mir» ein Spektrum von klaren, deutlichen Eindrücken, wie zum Beispiel Auditionen («Ich höre eine Stimme ausserhalb von mir») oder Visionen («Ich sehe konkret etwas ausserhalb von mir») auf der einen Seite und vagen bzw. alltäglichen inneren Wahrnehmungen wie Gedanken, Worten oder inneren Bildern auf der anderen Seite verbarg. Die alltägliche Art der Eindrücke überwog.Wenn ich jetzt auffordere, einfach die Augen zu schliessen und sich zum Beispiel den sonntäglichen Gottesdienstraum vorzustellen, so wird das gelingen – mit geschlossenen oder auch offenen Augen. In unserem Bewusstsein sehen wir jetzt unseren Gottesdienstraum. Aber keiner würde behaupten, dieses Bild käme von Gott. Wir selbst haben uns diesen Impuls gegeben, uns aus unserem Gedächtnis heraus den Gottesdienstraum vorzustellen. Es ist ein rein psychischer Vorgang. Auf ähnlicher Ebene liegt es, wenn ich jetzt auffordere, an einen Bibelvers zu denken. Die meisten denken zum Beispiel «Der Herr ist mein Hirte» oder «Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid». Aber dass man sich jetzt an diese Worte erinnert, ist nicht Gottes direkter Impuls. Wir haben uns den Auftrag selber gegeben, aus unserem Gedächtnis einen Bibelvers abzurufen.
Gehen wir einen Schritt weiter. Wenn ich nun aber Gott bitte, mir zum Beispiel einen Bibelvers für einen Bekannten zu zeigen, der mich bald zu einem Gespräch aufsuchen wird, und es fällt mir wieder ein Bibelvers ein, dann hat sich etwas verändert. Es ist kein rein innerpsychischer Vorgang mehr, sondern ich habe Gott gebeten, zu mir zu sprechen. Ich bin bewusst in eine Beziehung zu Gott getreten. Da Gott gerne redet und es ihm möglich ist, durch den Heiligen Geist in mein Leben hineinzusprechen, kann ich nun davon ausgehen, dass der Bibelvers, der mir jetzt einfällt, von Gott für diesen Menschen gegeben ist. Nicht die Deutlichkeit (Intensität) des Eindrucks entscheidet, ob wir Gott hören oder nicht, sondern das Glaubenswagnis, zu vertrauen, dass es Gott ist, der gesprochen hat.
Stellen wir uns vor, es tritt, wie bei der Verkündigung der Geburt Jesu, ein Engel ins Zimmer. Er ist deutlich sichtbar und spricht laut vernehmbar. Es bleibt trotzdem ein Akt des Glaubens, zu akzeptieren, dass dies ein Bote Gottes ist. Es gäbe genügend Grund zu fragen, ob es sich nicht um eine Sinnestäuschung, um eine krankhafte Halluzination handelt oder ob dies wirklich ein Engel des Lichtes ist. Ohne Glauben, im Sinne des Vertrauens, dass Gott konkret zu mir gesprochen hat, werde ich keine Erfahrungen damit machen, Gott zu hören. Warum aber sollte Gott nicht zu uns sprechen?
Weiterführende Fragen
- Wo kann ich bei dem Beitrag zu diesem Thema zustimmen? Wo nicht?
- Mit wem könnte ich mich dazu austauschen?
- Ich kann Gott hören! Will ich einen Vertrauenslernprozess starten?
- Wozu könnte ich jetzt, also in diesem Augenblick, Gott um sein Reden bitten und das Hören wagen?
Dieser Artikel erschien zuerst in der neusten Ausgabe des «gehaltvoll»-Magazins zum Thema «Berufen, ja! Aber was bedeutet das?» von Werner May und Hennry Wirth.
Zum Thema:
Berufen – was bedeutet das?: Teil 1: Gottes Zuspielungen
Alltagsgebete: 5 Arten, auf Gott zu hören
Universalrolle, Charisma, Amt?: «gehaltvoll»-Magazin untersucht Wesen und Wirkung des Glaubens
Autor: Werner May
Quelle: Gehaltvoll-Magazin