Professor Jürgen Moltmann:
Die Zukunft der Volkskirche ist freikirchlich
Einer der profiliertesten Theologen Deutschlands hat sich in einem Interview mit der Deutschen Welle (DW) zur Zukunft der Kirche in unseren Breitengraden geäussert. Sein Kernpostulat ist eine Freiwilligkeitskirche.
Stärkere Beteiligung der Gläubigen
Eine wichtige Rolle in einem lebendigen Gemeindeleben spiele die Mission – «nicht Diktatur, sondern Einladung», wie Moltmann betonte. Sie könne sehr gut durch kleine Gruppen und Hauskreise geschehen, wie er es in Korea studiert habe: «Die deutschen Kirchen sind stark in der Diakonie und schwach in der Mission. Von den koreanischen Kirchen könnten wir lernen, dass Gemeinden selber missionarisch tätig werden müssen, um Menschen einzuladen – nicht durch Missionare, sondern durch die Kirchenmitglieder» Aber nicht nur Mission geschehe durch solche «Zellen»: «Diese Hauskreise könnten gottesdienstliche Funktion übernehmen», ist Moltmann überzeugt.
Kirche von unten
Die Ortsgemeinden seien generell für Mission, Wachstum und Veränderung viel wichtiger als die kirchliche Hierarchie – und das nicht erst seit heute. Schon im 19. Jahrhundert sei Mission nicht «von oben» betrieben worden, sondern durch private Gesellschaften und Gemeinschaften von unten. Moltmann: «So etwas wünsche ich mir auch für die Zukunft: dass wieder aus privater Initiative christliche Gemeinschaften und Engagements entstehen.»
Bis ein solcher Strukturwandel in Richtung Freiwilligkeitskirche geschehe, könne es noch ein halbes Jahrhundert dauern, meinte Moltmann, ergänzte allerdings: «Aber die Geschichte Gottes ist immer voller Überraschungen. Wer das Unverhoffte nicht erhofft, wird es auch nicht finden.»
Zum Autor
Prof. Jürgen Moltmann wurde 1964 international bekannt mit seinem Werk «Theologie der Hoffnung». Zu seinen weiteren bekannten Werken gehören «Der gekreuzigte Gott» (1972) und «Kirche in der Kraft des Geistes» (1975). Daneben schrieb er eine Dogmatik in fünf Bänden, zahlreiche weitere Bücher und theologische Aufsätze und erhielt die Ehrendoktorwürde von insgesamt zwölf Universitäten weltweit. Zu seinen Schülern gehört u.a. der evangelikale anglikanische Theologe Miroslav Volf.
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Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet.ch / Deutsche Welle