"Wunder gibt es oft" - sofern wir sie wahrnehmen
Jesus.ch: Die Entmythologisierung der 60er Jahre ist vorbei.** Heute leben wir in einer Zeit, in der Wunder wieder anerkannt werden. Oder wie sehen Sie das, Herr Wenz?
Peter Wenz: Ich sehe das genauso. Die Entmythologisierung hat der Kirche sehr viel Schaden zugefügt; Wunder wurden abgestritten. Aber die Menschen wollen emotional berührt werden. Heute besinnen sie sich wieder auf die Zeichen und Wunder von Gott; und zum Glück auch die Kirchen.
Gibt es auch heute noch Wunder?
Ja. Wunder gibt es oft, auch heute noch. Wir sind einfach nicht sensibel genug, um zu erkennen, wenn Gott wirkt - auch und gerade auf übernatürliche Weise. Wir sollten versuchen, genauer hinzuschauen.
Wie würden Sie ein Wunder definieren?
Ein Wunder ist etwas, was Gott tut und über das man sich dann wundert (lacht). Es ist etwas, das man oft mit dem Verstand nicht erklären kann, das aber in die menschliche Welt hineinwirkt. Manche würden es als Zufall bezeichnen. Das Wort "Wunder" heisst ja im Griechischen "dynamis" und bedeutet Kraftwirkung - eine Wirkung der Kraft Gottes.
Die Menschen sprechen schnell von Wunder, wenn zum Beispiel ein Autounfall glimpflich ausgeht. Ist das auch für Sie ein Wunder?
Ja, immer wenn Gott eingreift, ist es ein Wunder. Die Bibel spricht von Schutzengeln, die den Heiligen dienen, also den Menschen, die bewusst mit ihm leben.*** Aber er beschützt auch Menschen, die ihn noch nicht kennen.
Muss man an Wunder glauben, damit sie eher geschehen?
Ja, das hilft enorm. Aber Gott lässt auch Wunder an Menschen geschehen, die ihn nicht kennen. Jesus heilte den Gelähmten am Teich Bethesda (Die Bibel, Johannes, Kapitel 5), obwohl der Mann überhaupt keinen Glauben hatte. Das Vertrauen auf Gott spielt aber trotzdem eine wichtige Rolle.
Was unterscheidet ein Wunder von einer normalen Heilung?
Bei einer normalen Heilung spielen die eigenen Abwehrkräfte eine grosse Rolle. Bei einem Wunder geht es eben weit über diesen Rahmen hinaus.
Weshalb heilt Gott gewisse Menschen, während andere niemals Heilung oder eben ein Wunder erfahren?
Das weiss ich nicht. Manchmal müssen wir mit der Spannung leben, dass wir nicht auf alles Antworten haben.
Am 11. Februar 1858 hatte das 14-jährige Müllermädchen Bernadette Soubirous eine Vision. In der Grotte von Lourdes begegnete sie insgesamt achtzehn Mal einer schönen Dame, einem göttlichen Wesen. Offiziell galt das zunächst als Schwindel. Aber dann erkannte die katholische Kirche diese Begegnungen an. Heute ist Lourdes ein bekannter Pilgerort in Frankreich. Glauben Sie, dass sich dort Wunder ereignen?
Vor vielen Jahren war ich mit einer Soldatenwallfahrt selber in Lourdes; damals war ich katholisch. Ich weiss noch, dass mich einiges sehr befremdet hat. Vieles war sehr kommerziell aufgemacht. Aber ich sah auf der anderen Seite die Menschen, die von einer unglaublich starken Hoffnung geprägt waren. Das hat mich sehr beeindruckt. Es gibt viele Theorien über Lourdes. Ich glaube aber, dass der Glaube an Gott eine Heilungskraft freisetzen kann.
Vom Ärztebüro in Lourdes und von der Kirche wurden insgesamt 66 Heilungen anerkannt. Muss man denn an einen solchen Ort reisen, damit einen Gott heilt?
Das denke ich nicht. Eine Heilung kann überall geschehen. Heutzutage wird in den reformierten wie in der katholischen Kirchgemeinden wieder viel mehr für Kranke gebetet als noch vor zwanzig oder dreissig Jahren. Dahinter steckt die Sehnsucht der Menschen nach Heilung, nach einer Begegnung mit Gott, und diese Sehnsucht erlebt derzeit auf der ganzen Welt eine Renaissance.
Haben Sie selbst schon ein Wunder erlebt?
Ja. ich habe Tausende erlebt.
Sie scherzen ...!
Nein, ich meine das ernst.
Haben Sie ein Beispiel?
Vor zwei Tagen war ich in Norddeutschland, in der Nähe von Kiel. In diesem Gottesdienst war die Gegenwart Gottes ausserordentlich stark. Nach dem Gottesdienst kam eine Frau zu mir, die körperlich und seelisch stark litt. Sie bat mich, für sie zu beten. Nach kurzer Zeit war sie von der schweren Last befreit, die sie jahrelang bedrückt hatte.
Weshalb sind Sie so sicher, dass es ein Wunder war?
Weil sie schon vieles unternommen hatte, um von Menschen Hilfe zu bekommen. Das hatte ihr aber nicht weitergeholfen. Sie selbst spürte an jenem Abend die Kraft Gottes an ihrem eigenen Körper.
Warum haben die Menschen Mühe, an Wunder zu glauben?
Es hat wahrscheinlich mit der Entmythologisierungslehre des letzten Jahrhunderts zu tun.** Aber der Mensch ist grundsätzlich absolut wundergläubig. In Afrika und auf anderen Kontinenten glaubt fast jeder an Wunder. Aber den Europäern wurden sie ausgeredet.
Wann wirkt Gott Wunder?
Da gibt es viele Hinweise in der Bibel: Zunächst einmal glaube ich, dass wir ein tiefes Vertrauen zu Gott entwickeln sollten. Jesus sagte mehrmals: "Dein Glaube hat dich gesund gemacht." ****
Zum zweiten haben manche Menschen von Gott die Gabe erhalten, andere zu heilen (Die Bibel, 1. Korinther, Kapitel 12). Zum dritten kommen während des Abendmahls immer wieder Heilungen vor; man gedenkt da ja schliesslich der Erlösung der Menschen durch den Tod von Jesus Christus. Viertens passiert manchmal eine Heilung, wenn ein Mensch sein Leben Jesus anvertraut. Ich habe es schon oft erlebt, dass Gott in diesem Moment ein Wunder tut.
Lesen Sie hier weitere Erlebnisberichte über Wunder.
* Biblische Glaubens Gemeinschaft Stuttgart
** Angeführt vom Marburger Theologen Rudolf Bultmann, entbrannte in den 50er- und 60er-Jahren eine folgenreiche Diskussion darüber, inwieweit das "mythologische" Weltbild der Bibel dem "modernen" Menschen "zuzumuten" sei. Bultmann und seine Jünger verneinten das radikal. Für sie gab es keine Wunder und auch keine Auferstehung. Das Vertrauen in die biblische Überlieferung wurde dadurch vielen Menschen nachhaltig erschüttert.
*** Die Bibel, Psalmen, Kapitel 34, Vers 8: "Der Engel des Herrn beschützt die, die ihm gehorchen, und rettet sie."
**** Die Bibel, Lukas, Kapitel 7, Vers 50; Kapitel 8, Vers 48; Kapitel 17, Vers 19; Kapitel 18, Vers 42
Autor: Iris Muhl
Quelle: Jesus.ch