Andere Religionsgemeinschaften
Kanton Bern: «Charta der Religionen» wird geprüft
Der Berner Regierungsrat hat auf zwei parlamentarische Vorstösse bezüglich der Anerkennung von Religionsgemeinschaften reagiert. Die Berner Regierung will nichts übereilen. In ihren Antworten weist sie auf den Grossen Rat hin, der 2015 einer allgemeinen Anerkennung einen Korb gab, dafür andere Förderungsmassnahmen befürwortet.
Ein erster Vorstoss stammt von der EVP-Fraktion des Grossen Rates. Sie will wissen, wie es mit einer «kleinen Anerkennung» von Religionsgemeinschaften aussieht. Eine solche würde den Gemeinschaften neben materiellen Vorteilen auch eine gesellschaftliche Akzeptanz bringen.
Der Regierungsrat schätze die politische Situation heute jedoch so ein, dass im Kanton Bern eine Debatte über nicht anerkannte Kirchen, Religions- und Glaubensgemeinschaften oder über die Vorlage eines Anerkennungsgesetzes «bis auf weiteres nicht zielführend» sei. Eine zu frühe Diskussion ohne Einbettung in eine umsichtige und längerfristige Religionsstrategie könnte sogar «politisch kontraproduktiv sein».
Erst eine «Religionsstrategie»
Der Regierungsrat möchte darum zuerst eine Religionsstrategie erarbeiten und mit Fördermassnahmen Religionsgemeinschaften unterstützen, die gesellschaftlich relevante Leistungen erbringen und die hiesige Verfassungsordnung und die allgemeinen Menschenrechte anerkennen.
Die Frage der gesellschaftlichen Anerkennung von Religionsgemeinschaften möchte der Regierungsrat in einen grösseren Gesamtzusammenhang und in einen längerfristigen Prozess stellen, schreibt die Regierung zuhanden der EVP.
Weg für die Diskussion ebnen
Der zweite Vorstoss stammt vom SP-Kantonspolitiker Mohamed Hamdaoui. Der Bieler Grossrat regt in seinem parlamentarischen Vorstoss die Schaffung einer «Charta der Religionen» an. Eine solche Charta würde jenen Gemeinschaften, welche die Charta übernehmen, den «Kontakt mit der Bevölkerung erleichtern», so Hamdaoui in seinem Vorstoss. Er spricht von einer Dringlichkeit seines Anliegens. Das aktuelle Geschehen um einen Imam aus Biel, der in seiner Moschee «Hass predigt», mache eine dringliche Debatte nötig.
Eine «Charta der Religionen» mit den im Vorstoss aufgeführten Inhalten könnte sich als Grundstein für eine Religionspolitik durchaus eignen, schreibt der Regierungsrat in der Antwort an den Bieler Politiker. Der Regierungsrat sei bereit, dies im Rahmen seiner noch zu definierenden Religionsstrategie näher zu prüfen.
Sinnvolle Fördermassnahme
Für zahlreiche nicht anerkannte Kirchen und Religionsgemeinschaften ist gemäss dem Regierungsrat eine öffentlich-rechtliche Anerkennung aus historischen, finanziellen oder organisatorischen Gründen momentan unerreichbar. Zudem fehle im Kanton Bern ein allgemeines Anerkennungsgesetz, wie es die Kantonsverfassung vorsehe.
Die vorgeschlagene Charta scheint dem Regierungsrat hingegen eine sinnvolle Fördermassnahme für die so wichtige gesellschaftliche Anerkennung von Kirchen und Religionsgemeinschaften zu sein. Sie könne dazu beitragen, den gesellschaftlichen und interreligiösen Dialog unter den Religionen und Konfessionen zu fördern sowie den Religionsfrieden zu wahren.
Die «Charta der Religionen» wäre aber nur ein erster Schritt. Damit sind Fragen der Aus-und Weiterbildung von Geistlichen, der Seelsorge, des Religionsunterrichts und viele finanzielle und organisatorische Fragen noch nicht gelöst. Weitere religionspolitische Massnahmen wird der Regierungsrat im Rahmen der erwähnten Religionsstrategie prüfen und allfällige Fördermassnahmen vorschlagen.
Der lange Weg der Politik
Über die Situation der nicht anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften erstellt zurzeit der Religionswissenschaftler Matthias Inniger im Auftrag der Berner Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion (JGK) einen Bericht. Nach Abschluss geht dieser an den Regierungsrat.
Dieser entscheidet, wie er mit diesem Bericht verfahren wird, erklärte auf Anfrage Martin Koelbing, Beauftragter für kirchliche Angelegenheiten im Kanton Bern. Koelbing geht davon aus, dass der politische Weg bis zu Entscheiden des Kantons Bern bezüglich der nicht anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften noch ein langer sein werde.
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Quelle: kath.ch