Markus Giger im Ostertalk

Auf jedes Scheitern folgt ein neuer Tag

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Markus Giger (Bild: Livenet)
Durch den Tod wird uns die eigene Ohnmacht vor Augen geführt. Im Livenet-Talk bezeichnet Markus Giger das Sterben als maximalen Ausdruck des Scheitern, zeigt aber auch auf, wie wir Gott trotzdem vertrauen können.

Markus Giger ist theologischer Leiter der Streetchurch, einer Arbeit innerhalb der reformierten Kirche von Zürich. «Die Streetchurch befähigt Menschen zu einem gelingenden Leben.» So lesen wir auf ihrer Webseite. Dass zum Alltag aber auch Rückschläge und Scheitern gehören, ist ihm nur allzu gut bewusst.

Karfreitag und der Krieg in der Ukraine

«In der reformierten Kirche ist der Karfreitag der höchste Sonntag im Kirchenjahr», sagt Markus. «In der reformierten Theologie wird der Tod von Jesus noch höher bewertet als die Auferstehung.» Im Blick auf den grausamen Krieg in der Ukraine sei uns dieses Jahr das Sterben erschreckend nahe gekommen. «Wir sind mit der Situation völlig überfordert. Wahrscheinlich ähnlich wie die Jünger vor 2'000 Jahren. Ihre Hoffnung, ihr Frieden und ihre Sicherheit, die sie in Jesus gefunden hatten, war plötzlich nicht mehr da.»

Der aktuelle Krieg in der Ukraine offenbart uns ein maximales Scheitern der Menschlichkeit. «Ich denke, dass uns der Krieg unsere Ohnmacht vor Gott, die wir trotz aller Errungenschaft und trotz allem Wissen haben, bewusst macht. Wir sind fundamental gescheitert und der Krieg macht uns das bewusst.» Doch das Scheitern ist nicht das Ende – nicht einmal der Tod. Das Wissen, dass nach jedem Scheitern – so schmerzhaft dieses auch sein mag – ein neuer Tag wartet, erlaubt Markus Giger einen hoffnungsvollen Blick in die Zukunft.

Leben mit Scheitern und Tod

Bei seiner Arbeit in der Streetchurch wird Markus immer wieder mit Schwerem und auch dem Tod konfrontiert. «Wir sind gezwungen, uns mit dem Scheitern des Lebens zu befassen. Junge Menschen sterben an Drogen und schrecklichen Unfällen.» Er berichtet von Mordfällen und auch von Menschen, die sich für ein neues Leben entscheiden, Fortschritte machen und dann doch rückfällig werden, scheitern und sterben.

«Für uns ist wichtig, nicht zu schnell vom Kreuz weg und auf Ostern zu blicken», hält Markus fest. Das Kreuz drücke das grösstmögliche Scheitern aus – den Tod. «Gott ist aber weder dem Scheitern, noch dem Tod unterworfen.» Im Tod und in der Auferstehung von Jesus liegt die Kraft, alles Zerbrochene zu überwinden. Indem wir sehen, wie Gott jedes Scheitern überwunden hat, können wir dieses aushalten und mit einem Leben nach dem Scheitern rechnen.

Wenn der Glaube erschüttert wird

«Ich wuchs in einem Elternhaus, wo ich zwei Extreme erlebt habe.» Da war einerseits die tiefgläubige Mutter, die ihren Glauben vorbildlich lebte. Auf der anderen Seiten war der Vater, der nach einem schweren Unfall seinen Beruf aufgeben musste, den Tod seiner Tochter nicht verarbeiten konnte und letztlich starken Alkoholismus entwickelte. «Wir litten sehr unter dieser Situation.»

«Als Kind betete ich intensiv für die Veränderung meines Vaters.» Er habe wirklich geglaubt, dass Jesus seinen Vater freimachen würde. «Dies geschah aber nicht. Mein Vater starb an den Folgen des Alkoholkonsums.» Trotz solcher Enttäuschungen hat Markus das Vertrauen an Gott nicht verloren – auch wenn dieses in gewissen Situationen zutiefst erschüttert wurde.

Weshalb überhaupt noch glauben?

Um festzuhalten, weshalb er nach all diesen Enttäuschungen überhaupt noch glaubt, verfasste Markus Giger eine kleine, aber schonungslos ehrliche Schrift. Er glaubt nicht, weil Gott die Schicksale der Menschen in seinem Umfeld verändert und zerrüttete Leben aufblühen lässt. Dies passiert nämlich oft nicht und so bleibt ihm nichts übrig, als trotzdem zu glauben. Markus betont, dass sein Vertrauen auf diesem «trotzdem» beruht. Er vertraut Gott, obwohl das, was er beobachtet, manchmal ernsthafte Fragen aufwirft.

Markus erzählt, wie er die Biografien biblischer Gestalten durchgegangen ist und dabei manch dunkle Punkte entdeckte. «David ist auch eine gescheiterte Person», hält er fest. Trotz Erfolgen sei in seinem Leben vieles ganz schön schief gelaufen. Genauso sieht es im Leben von Paulus und vielen anderen aus. «Das zu erkennen hat mir extrem geholfen, um zu einem 'Trotzdem' des Glaubens durchzudringen.»

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Sehen Sie sich hier den Livenet-Talk an:

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Datum: 16.04.2022
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet

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