Grossartig und geliebt

«Ich bin kein Krüppel, ich bin Christoph!»

Zoom
Christoph Gysel
Was die Sportler mit körperlichen Behinderungen an den Paralympischen Spielen für Leistungen zeigten, beeindruckte Christoph Gysel tief. Denn dass er selbst körperlich eingeschränkt ist, weiss er nur zu gut.

Behindert zu sein, ist Teil meines Lebens. Doch wenn meine Einschränkungen grösser werden, die Mobilität abnimmt oder meine Hände ihren Dienst verweigern, wird es schwierig. Letzten Sonntag stand ich in der Sakristei einer Kirche und versuchte, für die Taufe das Beffchen, den Pfarrkragen, anzuziehen. Meine tauben Finger liessen es nicht zu. Plötzlich hatte ich Panik: Gleich kommen die Gottesdienstbesucher!

Da wurde ich an meine Jugend erinnert. Mit zwanzig war klar: Als Winzer taugst du nicht mehr. Eine Umschulung war nötig. Ich hatte die Chance, Theologie zu studieren. Eine Person aus meinem Umfeld bezeichnete mich immer wieder als «Krüppel». «Gut, dass der Krüppel studieren und als Pfarrer sein eigenes Geld verdienen kann! Nicht, dass wir noch zahlen müssen...»

Eine grossartige Persönlichkeit

Solche Sätze bekam ich immer wieder zu hören. Ich erinnere mich an den Moment, wo ich trotzig vor dem Spiegel stand und schrie: «Nein, ich bin kein Krüppel, ich bin Christoph!» Ich bin die grossartige Persönlichkeit, zu der mich Gott gemacht hat. Ich durfte viel lernen über mich, die Menschen, Gott und die Welt. Ich konnte manchen Menschen eine Hilfe sein. Durfte Relevantes und weniger Wichtiges schreiben, bei Radiostationen erzählen und Kolumnen bei Zeitschriften veröffentlichen. Auch Bücher schreiben.

Ich bin eine von Gott und manchen Menschen geliebte Persönlichkeit. Ob mir nun noch jemand hilft, den Kragen zu montieren oder ob ich «oben ohne» meinen Dienst tue? Egal!

Christoph Gysel ist Tourismuspfarrer der Evangelisch-reformierten Kirche des Wallis und Präsident von Saas-Fee/Saastal Tourismus.

Dieser Artikel erschien zuerst bei IDEA Schweiz

Zum Thema:
Tourismus-Angebote der Kirchen: «Touristen sind in den Ferien beson­ders offen für Spirituelles»
Eine andere Art von Kirche: Obdachloser Taschentuchverkäufer findet ein Zuhause
Durch Leid gefördert: «Gott meint es gut, auch wenn es sich nicht immer so anfühlt»

Datum: 07.10.2021
Autor: Christoph Gysel
Quelle: IDEA Schweiz

Kommentar schreiben

Bitte melden Sie sich an oder registrieren Sie sich neu, um diesen Artikel zu kommentieren.
Anmelden
Mit Facebook anmelden

Adressen

CGS ECS ICS