Der Gottesbeweis
Die Wahrheitssuche und die richtigen Mittel
Wie kann man über die Existenz Gottes streiten, wenn sich Gott nicht beweisen lässt? Was spricht denn für seine Existenz, wenn alles offen scheint? Wir fragten den Naturwissenschafter und Apologeten Dr. Felix Ruther.
Magazin INSIST: Felix Ruther, die Fachwelt ist sich einig, dass es keine Gottesbeweise gibt. Ist damit die Diskussion nicht erledigt? Bleibt Gott letztlich eine subjektive Grösse?
Felix Ruther: Hinter dieser Frage sehe ich einen Denkansatz, der davon ausgeht, dass Wahrheit nur durch Experimente und/oder logisches Schlussfolgern gewonnen werden kann. Dieses Denken unterscheidet nicht zwischen einer «Sachwahrheit» und einer «Personenwahrheit». Wer «Personenwahrheiten» – und darum handelt es sich beim Glauben an Gott – mit Mitteln erschliessen will, mit denen «Sachwahrheiten» gefunden werden, wird kläglich scheitern. Über das Wesen Gottes oder eines Menschen kann ich Gewissheit haben. Es wissen zu wollen, ist aber respektlos. Personen sind keine Rätsel, die man lösen könnte. Sie sind Geheimnisse, denen Respekt gebührt.
Die Erkenntnistheorie sagt uns, dass wir eine absolut objektive Wahrheit gar nicht erfassen können. Der Standpunkt des Subjekts spielt beim Erkennen immer und überall eine entscheidende Rolle. Subjekt und Objekt beeinflussen sich gegenseitig.
Einer der schärfsten Kritiker von Religion und Glauben war Friedrich Nietzsche. Er scheint immer noch grossen Enfluss zu haben.
Wesentliche Punkte seiner Kritik müssen uns auch heute noch beschäftigen. Nietzsche kritisierte etwa die Reduzierung der christlichen Lehre auf die Moral. In der Lehre und im Leben Jesu geht es nicht um Moral, sondern um Erlösung und Mystik – der Mensch sehnt sich danach, mit Gott eins zu werden. Und Gott will durch seinen Geist im Menschen Wohnung nehmen. In Predigten und öffentlichen Verlautbarungen werden aber oft nur die Werte angesprochen – oder die Moral, häufig als fromm verbrämte bürgerliche Moral. Nietzsche hielt der Kirche daher vor, sie sei exakt das geworden, was Jesus kritisiert habe. Nietzsche sprach auch die Lebensfeindlichkeit der christlichen Moral an. Gott sei zum Widerspruch des Lebens geworden, zur «Formel jeder Verleumdung des Diesseits».
Damit hat er wohl leider zumindest teilweise recht ...
Ja, und mit Recht wies Nietzsche auf den schwächlichen Gott vieler Kirchenleute hin, der nur für die Schwachen und Kranken tauge. Das Christentum züchte damit den «schwächlichen» Menschen. Er hinterfragte auch den Gott vieler Frommer, der zur rechten Zeit ihren Schnupfen kuriert oder sie in dem Augenblick in die Kutsche steigen lässt, an dem gerade ein grosser Regen losbricht. Ein Gott also, der mehr «Dienstbote» und «Briefträger» ist: Gott als Synonym für die einfachsten aller Zufälle.
Berechtigt ist auch seine Kritik an der wissenschaftsfeindlichen Stimmung vieler Kirchenleute. Nietzsche hatte Recht mit der Analyse, aber nicht mit seiner Alternative. Denn so wie der «schwächliche» Gott nicht die Leitfigur für ein wahrhaftes Menschsein darstellen kann, so ist auch Nietzsches «Übermensch» die falsche Alternative. Schwäche kann nicht durch Härte überwunden werden. Nietzsche landete mit seinem Denkansatz im Nihilismus, der extremsten Gegenposition zum Glauben an Gott: eine grundlegende Gewissheit gibt es für ihn nicht. Nichts ist gewiss.
Was wäre die Alternative?
Der Arzt und Theologe Manfred Lütz schreibt dazu in seinem Buch «Gott – eine kleine Geschichte des Grössten»: «’Ich kenne dich ganz genau’ ist vielleicht das Respektloseste, das man seiner Frau sagen kann. Denn so billige ich ihr keine Freiheit, keine Veränderungsfähigkeit und keine Würde zu. Wenn Gott wirklich Person ist, dann ‚weiss’ man das Entscheidende über ihn nicht dadurch, dass man etwas über ihn ‚weiss’, sondern nur dadurch, dass man ihm begegnet.»
Wenn man schon durch eine noch so detaillierte Beschreibung einen Menschen nicht kennen lernen kann, wie viel weniger dann Gott. Gott muss sich offenbaren, und der Mensch muss sich ihm im Vertrauen und glaubend nähern. Nur so erschliesst sich die «Personenwahrheit» Gottes.
Diesen Artikel hat uns freundlicherweise das Magazin INSIST zur Verfügung gestellt
Zum Thema:
Warum lässt Gott das Böse zu?
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Magazin INSIST