Schön ist anders
Seinen Körper lieben lernen
Das Schönheitsideal der Medien kann krank und unglücklich machen. Das hat die Australierin Taryn Brumfitt am eigenen Leib erfahren. In ihrem Dokumentarfilm «Embrace: Du bist schön» will sie herausfinden, warum so viele Menschen ihren Körper hassen. Dafür spricht sie mit Schönheitschirurgen, Magersüchtigen und Models. Ein berührender Film, dem nur eine Sache fehlt. Eine Filmkritik von Lisa-Marie Seifert.
Wer kennt sie nicht, die berühmten Vorher-Nachher-Fotos, auf denen eine ehemals dicke Frau zuerst unglücklich ihren übergewichtigen Körper präsentiert und auf dem zweiten Bild schlank und vermeintlich perfekt in die Kameras strahlt und alles so viel besser scheint als vorher? Ein solches Bild war auch der Auslöser für den berührenden Dokumentarfilm «Embrace: Du bist schön», der derzeit nur wenige Male in Deutschland im Kino läuft. Allerdings zeigt auf diesem Bild die Vorher-Seite einen durchtrainierten Frauenkörper im Bikini und die Nachher-Seite eine lachende Frau mit dem einen oder anderen Speckröllchen, das nicht dem landläufigen Schönheitsideal entspricht.Abgebildet auf dem auf Facebook millionenfach geklickten Foto ist die australische Fotografin Taryn Brumfitt, die nach drei Schwangerschaften ihren Körper hasste. Sie entschied sich dafür, alles zu tun, um wieder einen perfekten Körper zu haben. Dafür stürzte sie sich für fast vier Monate in ein Sport- und Ernährungsprogramm, dessen Ergebnis sie auf einem Bodybuildingwettbewerb präsentierte. «Da stand ich nun also, immer noch nicht glücklich», erinnert sich die 39-Jährige in den ersten Szenen der Dokumentation. «Um dorthin zu kommen, habe ich zu viel geopfert. Zu viel Zeit, zu viel Energie und zu viel Besessenheit.»
Für Brumfitt ist das der Wendepunkt in ihrem Leben, sie beginnt, wieder normal zu essen, lernt ihren Körper zu akzeptieren und sogar zu lieben. Dann postet sie das Vorher-Nachher-Foto auf Facebook und die Reaktionen sind überwältigend. Neben Lob und Zuspruch erreichen sie auch viele verzweifelte Hilferufe. Eine Frau schreibt Brumfitt, dass sie noch nie mit ihrer vierjährigen Tochter schwimmen gewesen sei, weil sie sich nicht traue, sich im Badeanzug zu zeigen. Die Australierin beschliesst, um die Welt zu reisen, um zu verstehen, warum so viele Frauen nicht mit ihrem Körper zufrieden sind – und zu zeigen, wie man seinen Körper lieben kann, auch wenn er nicht dem Schönheitsideal eines Covergirls entspricht. Die Kamera begleitet sie auf der Reise.
Frauen auf der ganzen Welt kennen das Problem
Die Fotografin trifft die frühere Chefredakteurin der australischen Ausgabe des Hochglanz-Frauenmagazins Cosmopolitan, Mia Freedman. Der Zuschauer taucht ein in die Welt von Photoshop, Modelmassen und Makellosigkeit und erfährt, wie Fotos dem gesellschaftlichen Schönheitsideal angepasst werden. «Wenn du dich mit jemandem vergleichst, der gar nicht existiert – wie willst du jemals glücklich mit deinem Körper werden?», fragt Mia Freedman, und die Dreifachmutter stellt fest, dass nicht mal die Mädchen aus den Modemagazinen in Wirklichkeit so aussehen wie die Mädchen aus den Modemagazinen.
Weiter führt die Australierin ihre Reise zu einem Model, das mit Konfektionsgrösse 38 als «Plussize»-Model gilt, also als eines mit Übergrösse. Sie berichtet davon, wie Size-Zero-Models, also extrem dünne, abseits des Laufstegs regelmässig ohnmächtig werden und Wattebälle essen, um dem Schönheitsideal der Gesellschaft zu entsprechen.
Aufhören, gegen den eigenen Körper zu kämpfen
Der Gedanke «Dick gleich schlecht, dünn gleich gut, am dünnsten gleich am besten» und die Reduzierung der Frau auf ihr Äusseres sind die Gründe, warum so viele von ihnen Probleme mit der Selbstakzeptanz haben, ist das Zwischenfazit der Australierin. Zum Ende des Filmes trifft sie sich mit der deutschen Schauspielerin Nora Tschirner, die den Film mitproduziert hat. Dass 91 Prozent der deutschen Frauen mit ihrem Körper unzufrieden sind, wundert diese nicht: Der Optimierungswahn, der unrealistischen Schönheitsidealen nacheifere, sei tief in unserer Leistungsgesellschaft verankert, ist sich Tschirner sicher.
Zurück in Australien steht für Brumfitt am Ende ihrer Reise fest, dass es keinen Grund gibt, sich selbst wegen der einen oder anderen Problemzone des Körpers zu schämen oder zu hassen. Jeder darf sich schön fühlen, unabhängig davon, was die Hochglanzmagazine propagieren. Schön sein ist viel mehr als einem subjektiven Ideal zu entsprechen. Schönheit bedeutet Vielfalt, Individualität und Selbstakzeptanz. Der Kampf gegen den eigenen Körper, der doch eigentlich ein Verbündeter sein sollte, muss aufhören, ist sich die Australierin sicher, während sie zum Abschluss noch einmal charmant in die Kamera strahlt, als wolle sie den Zuschauern Mut machen.
Von innen heraus schön
Alles in allem ist «Embrace: Du bist schön» ein gelungener Film, der seinen Ansprüchen gerecht wird. Mal berührend, mal ironisch und charmant berichten die unterschiedlichsten Frauen von ihren Erfahrungen und Selbstzweifeln, und als Zuschauer fühlt man sich verstanden und am Ende des Films vielleicht sogar schöner. Ein Aspekt kommt in dem Film mit der ansonsten so wichtigen Botschaft allerdings zu kurz: Zur Lösung des Problems des Körperhasses, der zweifelsohne die meisten Frauen betrifft, gehört mehr als die Akzeptanz der eigenen Makel und die Einsicht, dass jeder Körper anders und auf seine Weise schön ist.
Es ist vor allem wichtig, zu lernen, dass unser Körper nicht definiert, wer wir sind. Unser Charakter sagt viel mehr über uns aus als ein Körper, der Modelmasse hat oder eben nicht. Wenn wir verstehen, dass Schönheit sich nicht nur über das Äussere definiert, dann können wir auch über das eine oder andere Kilo zu viel hinweg sehen. Ausstrahlung und wahre Schönheit kommt eben doch von Innen.
Den Film gibt es auch auf DVD.
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Autor: Lisa-Marie Seifert
Quelle: Christliches Medienmagazin pro | www.pro-medienmagazin.de