Christliche Kulturgeschichte
Michael Blumes Buch «Rückzug oder Kreuzzug?»
Welche Zukunft hat der christliche Glaube? Gibt es nur die Wahl zwischen Rückzug oder Kreuzzug – Bedeutungsverlust oder Fundamentalismus? Dieses Spannungsfeld betrachtet Michael Blume in seinem aktuellen Buch.
Aller guten Dinge sind drei. Nach seinen Büchern über Her- und Zukunft des Islam («Islam in der Krise») und das Judentum («Warum der Antisemitismus uns alle bedroht») veröffentlichte Michael Blume jetzt eines über das Christentum. Dazu spannte der Religionswissenschaftler und Medienethiker einen weiten Bogen durch die christliche Kulturgeschichte.
Hinschauen
«Man muss das positiv sehen. Es ist zwar das Ende der Welt, wie wir sie kennen, aber wir lernen auch total viel über Statistik dabei!» Mit diesem Zitat des Bloggers Lars Fischer steigt Michael Blume (45) in seine Analyse der christlichen Kirchen ein. Immer wieder kommen solche Elemente, bei denen man als Leserin und Leser schmunzelt, doch insgesamt gesehen ist «Rückzug oder Kreuzzug?» ein Buch, das man sich erarbeiten muss. Es ist zwar nur 160 Seiten stark, aber es wiederholt nicht immer wieder dieselben leicht eingängigen Sätze. Stattdessen gibt der Autor von Seite zu Seite Gedankenanstösse, fundiertes Hintergrundwissen und immer wieder stösst er Türen in neue Bereiche auf. Darin folgt er dem Philosophen Hans Blumenberg, der forderte, sich inmitten globaler Umwälzungen die Zeit zu nehmen, sie von allen Seiten zu betrachten.
Laut Blume erleben wir «mit dem Zusammenbruch der Welt, wie wir sie kennen, auch eine grundlegende Transformation von Mythologien, Religionen und insbesondere auch der Kirchen […]. Neben dem millionenfachen 'Rückzug' aus den Religionsgemeinschaften in eine angefochtene, säkulare Individualität steht ein nicht nur in den USA starker 'Kreuzzug' gegen die als bedrohlich und verschwörerisch empfundenen Erkenntnisse der Wissenschaften.»
Durchblicken
Vier Abschnitte hat das Buch, die für sich betrachtet erst einmal überraschen: Es geht um den «Kampf der Kulturen» und darum, ob die deutlicheren Grenzen wirklich zwischen Islam und Christentum verlaufen oder vielmehr mitten durch diese scheinbar homogenen Gruppen. Es geht um die Medienwirksamkeit des Christentums und um Religionsgeografie. Und zum Schluss um die Bildbetrachtung eines klassischen Jesus-Gemäldes, das immer wieder für Skandale sorgte.
Gekonnt verknüpft Blume diese Bereiche und beschäftigt sich dabei mit monistischem versus dualistischem Denken. Dabei fallen natürlich Fach- und Fremdwörter wie diese, doch sie werden immer wieder mit Geschichte und Geschichten untermauert und ausserdem in umfangreichen Personen- und Sacherklärungen erläutert.
Weitersehen
Michael Blume ist es gewohnt, anzuecken. Das geschieht ihm bei seiner Arbeit als Beauftragter gegen Antisemitismus regelmässig. Auch mit dem vorliegenden Buch wird er sich nicht nur Freunde machen. Doch das war auch nicht sein Ziel: Er wollte und will das Nachdenken über alte und neue Phänomene im christlichen Umfeld anregen, die Diskussion, aber natürlich auch ein Um-Handeln, das dem Umdenken folgt.
Wer eine locker-leichte Feierabendlektüre sucht, sollte lieber ein anderes Buch in die Hand nehmen. Aber wer sich auf interessante Gedanken einlassen möchte und sich fragt, was er oder sie dazu beitragen kann, Glauben auch heute relevant zu leben, der findet hier einen Schatz an Anregungen dafür. Oder wie Papst Benedikt (auch aus dem Buch zitiert) meinte: «Die selige Mutter Teresa wurde einmal gefragt, was sich ihrer Meinung nach als Erstes in der Kirche ändern müsse. Ihre Antwort war: Sie und ich!»
Zum Buch:
Michael Blume: Die Krise des Christentums und die
Gefahr des Fundamentalismus.
Patmos. 160 Seiten, gebunden. ISBN
978-3-8436-1332-3. SFr 29,90 / Euro 19,00.
Zum Thema:
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Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet