Männersache

Handbuch verspricht «mehr Power für ein Leben mit Gott»

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Wenn ein Ingenieur seinen Beruf an den Nagel hängt und als Missionar mit Motorsäge und Männergruppe in den Wald geht, dann kommt über kurz oder lang ein Buch dabei heraus: Steffen Cramer nennt seines «Hubraumerweiterung. Mehr Power für dein Leben mit Gott». Worum geht's darin? Hält das Buch, was es verspricht? Wer – welcher Mann – sollte es sich kaufen?

Ich muss hier wohl etwas vorausschicken: Ich habe auch schon mal bei null Grad im Biwaksack im Wald übernachtet, aber das neue christliche Männerbild eines John Eldredge («Der ungezähmte Mann»), «Jeder Mann habe eine Schlacht zu schlagen, eine schöne Frau zu retten und ein abenteuerliches Leben zu führen», ist mir irgendwie zu platt. Und auf der damals grössten Konferenz der Männerbewegung «Promise Keepers» in Deutschland fühlte ich mich irgendwie fehl am Platz.

Aber ich bin nun mal ein Mann, ich möchte im Glauben wachsen und ich lese auch noch gern – also habe ich mir «Hubraumerweiterung» bestellt.

Unboxing

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Als das Buch ankommt, bin ich erst einmal positiv überrascht. Das Cover kannte ich schon, doch die Innengestaltung steht ihm in nichts nach: Schwarzweissfotos, klare Gliederung, optische und farbige Akzente. Mir gefällt's. Die Optik ist nicht alles, aber ohne sie kann das beste Buch zum Ladenhüter degradiert werden. Gut, dass es so geniale Gestalter wie Andreas Sonnhüter gibt, der es immer wieder schafft, Inhalte ansprechend zu verpacken.

Lustig finde ich, dass mir beim Auspacken des Männerbuchs direkt ein kleiner Verlagsflyer herausrutscht. Die Überschrift «Geistliches Leben». Auf dem Cover zwei Frauen. Die Farbe rosa – was sonst? Bei aller Zielgruppenorientierung merke ich, dass ich als lesender Mann auch im christlichen Buchmarkt nur eine Nische fülle – ist geistliches Leben wirklich weiblich?

Gelesen

Zu Beginn seines Buches erzählt Steffen Cramer, dass er «lieber 14 Stunden mit der Säge im Wald herum[rennt], als dass ich eine Stunde lese». Er richtet sich explizit an Wenig-Leser. Klar sind die Kapitel des Buches deshalb relativ kurz: Sie lassen sich jeweils in ungefähr fünf Minuten durchlesen. Einige haben noch einen rot hinterlegten Anhang zum «Tiefer Graben».

Worum geht es in den Kapiteln? Um Christ-Werden und Christ-Bleiben, um männliche Identität und den eigenen Platz in der Gemeinde, um Rollenverteilung in der Familie und den Umgang mit Be- bzw. Überlastung. Tatsächlich sind diese Themen durchaus meine. Nicht jedes Beispiel trifft mich und meine Situation, aber das erwarte ich auch gar nicht. Mir geht es darum, mir Gedanken über mich selbst zu machen, und mich an Ideen und anderen Lebensentwürfen zu reiben – genau das unterstützt das Buch.

Voll das Klischee …

Zum Teil betont Steffen Cramer in seinem Buch ein konservatives Rollenbild: Der Mann ist die Zugmaschine, seine Frau der Anhänger. Er bemüht dafür die Frage, ob «Mann» nun Bagger oder doch Radlader ist. Doch bei allem verständlichen Fragen nach der männlichen Identität bleibt seine Argumentation hier eher blass. Ob es daran liegt, dass die Rolle des Mannes mit allem, was damit zusammenhängt, als aktive Zugmaschine beschrieben wird? Und die Rolle der Frau, trotz aller Wertschätzung, auf den Anhänger reduziert wird?

Auch die Bilder im Buch sind nicht immer hilfreich. «Hubraumerweiterung» klingt so, als könnte oder sollte jetzt jeder Mann seine Zylinder aufbohren, um seine Leistung vergrössern zu können. Ist es nicht bei den meisten Männern so, dass wir eher lernen müssen, mit den Gegebenheiten klarzukommen?

… oder auch nicht

Diese Einseitigkeiten machen allerdings nicht das Buch an sich aus. Immer wieder fordert Cramer Männer auf, an sich selbst und ihrem Charakter zu arbeiten. Scheinbar nebenbei stellt er auch die Frage, warum Männer in Kirchen und Gemeinden kaum vorkommen. Passend zum obigen Abschnitt fragt er nicht danach, warum Leitung fast ausschliesslich in männlicher Hand liegt. Aber er interessiert sich dafür, «Warum Männer nicht zum Gottesdienst gehen», wie ein Buch von David Murrow heisst. Und er identifiziert typisch weibliche Werte, wie sie in frommen Kreisen propagiert werden, (Liebe, Beziehungen, Hilfe, Gefühle, sich mitteilen …) und stellt sie männlichen Werten gegenüber, die gemeinhin eher als weltlich gelten: Kompetenz, Macht, Effizienz, Wettbewerb, Erfolg. Auch hier ist das Buch nicht klischeefrei, doch viele Männer werden Cramers Fragen nach dem Platz von Männern in Gemeinde nachvollziehen können.

Für wen ist das Buch geeignet?

Manche Übertragungen von technischen Beispielen auf den geistlichen Bereich finde ich persönlich etwas bemüht. Viele Fragen und Anregungen des Buches treffen bei mir aber voll ins Schwarze. Insgesamt ist es ein guter Einstieg, um über das eigene Mann- und Christsein nachzudenken.

Das grösste Problem sehe ich bei der Frage des Kaufens. Denn eine Frau, die ihrem Mann das Buch zum Geburtstag schenkt und dabei noch meint: «Das solltest du mal lesen. Es würde dir guttun…», wird ihren Mann wahrscheinlich nicht zum Lesen animieren. Dabei ist das Buch eine herausfordernde und gut lesbare Lektüre.

Eine spannende Ergänzung ist das überhaupt nicht christlich geprägte Buch «Was Männer nie gefragt werden» von Fränzi Kühne. Die jüngste Aufsichtsrätin eines börsennotierten Unternehmens in Deutschland hält Männern einen Spiegel vor, indem sie sie all das fragt, was man eigentlich nur von Frauen wissen möchte: Von Kleiderfragen bis hin zu «Mussten Sie sich zwischen Kindern und Ihrem Start-up entscheiden?» Auch hier geht es um Klischees. Aber zwischen dem Schwingen von Motorsägen im Wald und dem gleichberechtigten Nachfragen einer emanzipierten Erfolgsfrau findet «Mann» vielleicht seine Persönlichkeit und Gottes Idee dafür.

Steffen Cramer: Hubraumerweiterung. Mehr Power für dein Leben mit Gott, 144 Seiten, mehrfarbig, SCM R. Brockhaus, ISBN 978-3-417-26986-4. SFr 28,90 / 17,99 EUR.

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Datum: 04.07.2021
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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