Bestseller-Autor Joshua Harris
Von Fehlern lernen und an ihnen wachsen
Vielen ist sicherlich noch der Name des Buches «Ungeküsst und doch kein Frosch» von Joshua Harris im Sinn. Wenig Bücher haben so viele positive wie auch negative Reaktionen ausgelöst. Jetzt hat Joshua Harris zugegeben, in dem Bestseller einige Fehler gemacht zu haben – und er zeigt auf, wie man an eigenen Fehlern wachsen kann.
Ich erinnere mich noch genau, als ich Gott darum bat, ein Buch schreiben zu können, das die Welt verändert. Ich war jung, voller Eifer für Gott, selbstsicher und extrem ehrgeizig. Und Gott erhörte mein Gebet: Ich schrieb ein Buch darüber, dass wir als Christen ernsthafte Beziehungen eingehen müssen und aufhören sollten, zu daten. Das Buch wurde veröffentlicht – und es explodierte: über 1,5 Millionen verkaufte Exemplare.Ein Buch, das verletzt hat
Es gibt einige Punkte im Buch, die ich immer noch sehr gut finde und die vielen Leuten geholfen haben. Aber in den letzten Jahren habe ich mehr und mehr grundlegende Probleme im Buch gefunden. Ich liess keinen Raum dafür, dass Dating eine gesunde Art sein kann, um herauszufinden, was man eigentlich in einer ernsthaften Beziehung will, etwas, an dem man Wachsen kann. Es klingt ein wenig als gäbe es eine Formel, durch die man eine glückliche Ehe mit glücklichem Sex garantiert bekommt – aber dem ist nicht so. Und viele Leute wurden durch das Buch verletzt oder fanden es völlig daneben.Angst davor, falsch zu liegen
Warum hat es so lange gedauert, bis ich diese Dinge bemerkt hab? Weil ich so Angst davor hatte, falsch zu liegen. Das Buch hatte mir eine Identität als Bestseller-Autor gegeben und es war so einfach, die Kritiker als Bösewichte abzutun und Leute zu suchen, die das Buch gut finden. Zuzugeben, dass ich falsch gelegen hatte, bedeutete zuzugeben, dass ein Grossteil meines Lebens falsch war – dazu fehlte mir der Mut. Aber als ich vor ein paar Jahren wieder zur Uni ging, sagten mir mit einem Mal meine Mitstudenten, was sie an meinem Buch nicht gut fanden. Und die konnte ich nicht einfach als Bösewichte abtun – es waren meine Freunde.
Ich befinde mich im Kontakt mit Menschen, die durch mein Buch verletzt wurden und im Prozess, alles aufzuarbeiten. Manchmal will ich einfach davonlaufen, weil es zu viel ist. Doch ich glaube, dass dieser Prozess mich wachsen lässt. Hier ein paar Dinge, die ich im Prozess gelernt habe.
1. Evolution/Entwicklung beinhaltet Tod
Wir sagen immer, dass wir uns weiterentwickeln wollen, besser werden wollen. Aber Evolution beinhaltet Tod. Natürliche Selektion ist eine traumatische Sache, denn wir sprechen vom Überleben des Stärkeren, aber was ist mit all denen, die nicht stärker sind? Mit der persönlichen Entwicklung ist es genauso: Es ist nie ein schmerzfreier Prozess. Man muss alte Denkweisen und Gewohnheiten sterben lassen, oder auch alte Beziehungen, die uns vom Wachsen abhalten.
2. Der Prozess der Veränderung kann nicht beschleunigt werden
Wenn wir merken, dass wir etwas falsch gemacht haben, wollen wir das so schnell wie möglich hinter uns lassen, um uns wieder gut zu fühlen. Also verändern wir einfach unser Verhalten, aber geben nicht zu, einen Fehler gemacht zu haben – oder wir geben irgendeine lahme Entschuldigung. Aber wer diesen Prozess beschleunigt, wird nicht daran wachsen. Mit Leuten zu reden, die durch mein Buch verletzt wurden, ist total ätzend. Aber inmitten all der Spannung und Fragen wachse ich. Es sind Fragen wie: Was hat mein Denken geprägt? Welche Auswirkungen hat das auf andere? Was muss ich lernen, um denselben Fehler nicht zu wiederholen? Antworten darauf brauchen Zeit. Es kann sogar sein, dass wir im Prozess unsere Identität, unsere Selbstsicherheit verlieren – aber durch die Veränderung entsteht etwas Neues.
3. Fehler zugeben macht manche Leute wütend
Sie können Wiederstand erwarten, denn es gibt Leute in Ihrem Leben, die sich in das alte Sie investiert haben. Es gibt Menschen, die wollen, dass Sie so bleiben wie immer. Denn wenn Sie zugeben, dass Sie falsch lagen, und diese Leute mit Ihnen übereinstimmten, heisst das, dass sie auch falsch lagen – und das wollen sie nicht zugeben. Für mich war der schwerste Teil in diesem Prozess, mit den Leuten zu reden, die mein Buch lieben. Sie sind verwirrt und denken, ich darf mein Buch nicht hinterfragen, weil sie wichtige Entscheidungen getroffen haben, die auf dem Buch basieren…
Ich glaube, viele von uns haben falsche Ideen darüber, falsch zu liegen. Wir haben solche Angst davor. Wir sehen es als Schwäche und als beschämend. Wir wollen Leuten folgen, die immer richtig liegen. Aber überlegen Sie mal: Menschen, die immer alles richtigmachen, wachsen nicht. Sie können sich nicht ändern, sonst machen sie nicht mehr alles richtig... Wir müssen unsere Denkweise ändern: Einen Fehler zuzugeben, benötigt Stärke. Aber das Gute ist, wir müssen nicht so sehr Angst davor zu haben, Fehler zu machen, und können uns auf andere zubewegen, die vielleicht unsere Meinung ändern könnten. Wir dürfen es wagen, Fehler zu machen, dabei lernen und leben.
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Autor: Rebekka Schmidt
Quelle: Livenet / Charisma News