Zwischen Kakteen und Zyklonen
Madagaskar: Chef und Putzfrau beten gemeinsam
Madagaskar gilt als üppig blühendes Land. Dennoch braucht die riesige Nation Hilfe, sagt Evelyn Speich. Die Schweizerin wurde vor kurzem zur Madagaskar-Landesverantwortlichen des internationalen Hilfswerks «Medair» ernannt. Sie erlebt, wie der christliche Glaube auch in schwierigen Situationen durchträgt.Die Inselnation Madagaskar ist, Nord-Süd-mässig gesehen, ähnlich langgezogen wie Frankreich. «Dadurch hat es viele verschiedene Klimazonen mit einzigartiger Vegetation. Davon sind fast 70 Prozent trockene Savanne mit dem für Süd-Madagaskar typischen Dornenwald», erklärt Evelyn Speich. In diesen trockenen Gebieten leben die Menschen vor allem von der Viehzucht mit den schön behornten Zebu-Rindern, Ziegen und Schafen, natürlich auch Hühnern.
Dazu kommt «Regenfeldbau mit Maniok, Süsskartoffeln, Bohnen und Wassermelonen. Mancherorts ist der Kaktus so dominant, dass kaum etwas anderes wächst. Ein Fluch und ein Segen gleichzeitig. Die Kakteen sind ein gutes Viehfutter und in Dürreperioden sind die Früchte manchmal die einzige Nahrungsmittelquelle für die Bevölkerung.» Die Hälfte der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche des Landes ist mit Reis bepflanzt; dieser kommt täglich dreimal auf den Tisch.
Zyklone und das Warten auf den LKW
Jährlich wird die Nation ausserdem von Zyklonen getroffen. Dadurch werden Küstendörfer zerstört und im Landesinnern erfolgen heftige Niederschläge mit Schlammlawinen und Überflutungen. «Oftmals zerstört dies die Ernte grossflächig und zwingt die Bevölkerung immer wieder zum Wiederaufbau der Dorf-Infrastruktur und den Reisterrassen.» Weiter führe dies zu Epidemien und Heuschreckenplagen.Auch fehlt es an geteerten Strassen, in der Regenzeit sind viele Regionen nur schwer zugänglich. «Dies merkten wir in unserem Wasserbau-Projekt ganz im Südzipfel. Wir mussten zuweilen Wochen warten, bis die Lastwagen die Brunnenbohrmaschinen, Ersatzteile und das Baumaterial anliefern konnten.»
Schweizer verbessern Trinkwasserversorgung
Die Insel gilt als gravierend arm, aber – wenn auch politisch nicht sehr stabil – doch friedlich, erklärt Evelyn Speich. «Selbst in der Hauptstadt gehen viele Menschen oft viele Kilometer zu Fuss zur Arbeit, weil sie sich weder ein Fahr- oder Motorrad noch den öffentlichen Verkehr leisten können.»
Besonders im Süden sind Analphabetenrate und Mangelernährung enorm. «Es ist dort normal, dass Mädchen mit 13 heiraten und mit 18 bereits drei Kinder haben!»
Das Land ist teils wenig dicht besiedelt und geographisch so kompliziert, dass die Entwicklung eine grosse Herausforderung ist. «In Madagaskar konzentriert sich Medair hauptsächlich auf die Bereiche Wasser und Hygiene.» Dazu gehört die Verbesserung der Trinkwasserversorgung im Süden Madagaskars. Eine nachhaltige Versorgung für 12'000 Menschen konnte bisher eingerichtet werden.
Menschen «lernen», miteinander zu reden
«Momentan laufen auch zwei Projekte im Nord-Westen des Landes, wo wir mit vielen lokalen Partnern – und selbstverständlich immer in enger Kooperation mit den Behörden – gemeinsam am Aufbau eines Überschwemmung-Vorwarnsystems arbeiten.» Ein Medair-Team ist so aufgestellt, dass landesweit sofort Nothilfe geleistet werden kann. «Aktuell momentan ist natürlich auch unser Einsatz im Zusammenhang mit COVID-19. Dieser wird vom Schweizer Staat mitfinanziert. Unser Team arbeitet in der Stadt Tamatave an der Ostküste und bildet Gesundheits- und Hygienepersonal in Präventionsmassnahmen aus.»
Evelyn Speich, die in mehreren Ländern Afrikas, Asiens und Europas tätig war, ist fasziniert, «wenn ich dazu beitragen kann, dass in Dorfgemeinschaften und zwischen Zivilgesellschaft und Behörden ein konstruktives gemeinsames Nachdenken stattfindet. Was mich dabei besonders bereichert, ist, wenn Teilnehmer berichten, dass sie vorher nie so miteinander hätten reden können oder dass ihnen nicht bewusst war, dass die anderen dieselben Probleme haben wie sie.»
Gott führt durch die Täler
Evelyn Speich erklärt weiter: «Es kommt ganz oft vor, dass wir in Situationen kommen, in denen wir keine Ahnung haben, wie es weiter gehen soll. Das habe ich als verwaiste Mutter und Witwe ganz persönlich in traumatischer Weise erleben müssen – aber ich durfte dabei auch erleben, wie Gott, Jesus und der Heilige Geist mich da durchführen, Kraft und Weisheit geben und mich tragen, wenn ich zu schwach bin.»
Auch im Arbeitsalltag brauche es viel Mut und Zuversicht. «Die erhalte ich durch mein Vertrauen auf Gott und so durfte ich schon oft erleben, dass der Glaube und mit ihm natürlich das Gebet wirklich Kraft, Ausdauer und eine Vision gibt, mit der man Berge versetzen kann – und dass Wunder passieren.»
Glaube als Kraftfaktor
Der Glaube ist in Madagaskar ganz natürlich im Alltag verankert. «Es ist selbstverständlich, dass man in die Kirche geht und dort vielleicht auch den halben oder gar den ganzen Sonntag verbringt.»
Und bei Medair sind die Team-Mitglieder eine grosse Familie mit Christen aller Denominationen. «Die wöchentliche Andacht und das Gebet im Team – von der Putzfrau und dem Wachpersonal bis zum Chef – sind für uns ein wichtiger Kraftfaktor und Mutmacher. Die Leitung der Andacht geschieht oft in Rotation und da ist es wunderschön zu sehen, wie der gemeinsame Glaube die berufliche Hierarchie durchbricht und uns auf einer horizontalen, geschwisterlichen Ebene zusammenschweisst.»
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Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet