Susanna Aerne
Lebenslügen, Kindheitsprägungen und befreiende Erkenntnisse
Prägungen bestimmen unser Fühlen und Handeln. Oft sind diese Prägungen aber unbewusst – besonders, wenn sie in die frühe Kindheit zurückreichen. Die Prägung zu erkennen, bietet aber die Grundlage zur Korrektur.
Trotz der vielen guten Prägungen aus der Kindheit, machen Erwachsenen vor allem die ungesunden Prägungen zu schaffen. Wie diese korrigiert werden können, erläutert Susanna Aerne im Livenet-Talk und braucht dabei zur Veranschaulichung viele lebensnahe Beispiele.
Eltern prägen ihre Kinder
«Als Eltern prägen wir unsere Kinder», sagt Susanna Aerne. «Wir prägen mit unseren Ansichten, unseren Werten und Weltvorstellungen.» Unsere Haltung zu Gesellschaft und Politik geben wir genauso weiter wie die Art und Weise des Zusammenlebens in der Familie. «Wir prägen damit, wie wir miteinander reden oder nicht reden und wie wir mit Fehlern und Versagen umgehen.» Oft verletzen Eltern ihre Kinder dort, wo sie selbst verletzt worden sind. «Wir geben unseren Kindern aber auch viel Schönes mit in ihr Erwachsenenalter.»
«Es ist wichtig, dass wir unsere Prägungen reflektieren», führt Susanna aus. «Was hat mich geprägt? Und wie bin ich geprägt?» Unreflektierte Beobachtungen und Prägungen aus der Kindheit bestimmen unbewusst unser späteres Verhalten. «Beim Reflektieren kann ich mir überlegen, ob ich das, was ich in der Kindheit erlebt habe, genauso machen will oder nicht.» Schwierig gestalte sich der Umgang mit schlechten Verhaltensweisen im Alltag. «Hier geht es meist um unbewusste Prägungen.»
Frühkindliche Erfahrungen prägen stark
Viele entscheidende Prägungen kommen aus den ersten sechs Lebensjahren. «Damals haben wir ganz starke Emotionen und Erinnerungen gespeichert. Hier einen Zugang zu finden, kann sehr schwierig sein.» Aufgrund dieser Erfahrungen triggern Menschen in ihrem Erwachsenenalter dann auf alltägliche Situationen und durchleben daraufhin dieselben Emotionen wieder. Das können starke Gefühle sein wie eine übermächtige Wut, Ohnmachtsgefühle oder grosse Ängste. Die Person hat dann das Gefühl, diese Emotionen würden die momentane Situation wiedergeben, dabei handelt es sich um Erinnerungen aus der Kindheit. In ihrer Beratung führt Susanna Aerne Hilfesuchende darin, sich Situationen aus der Kindheit in Erinnerung zu rufen, die entsprechende Gefühle hervorgerufen haben.
In gewissen Situationen kann das überwältigende Gefühl der Ohnmacht gespürt werden, weil gewisse Umstände denjenigen einer Kindheitserfahrung gleichen. Während man als Kind der Situation tatsächlich ohnmächtig ausgeliefert gewesen ist, muss man nun festhalten, als Erwachsene noch immer über einen Handlungsspielraum zu verfügen. Die Gefühle trügen und in der Folge geht es dann darum, diese Gefühle zu korrigieren.
«Für viele Leute ist es unglaublich befreiend zu verstehen, woher ihre starken emotionalen Reaktionen kommen und dann festzustellen, dass diese Gefühle heute überhaupt nicht mehr stimmen.» Im Talk schildert Susanne mehrere Beispiele aus ihrer Beratertätigkeit, welche diesen Sachverhalt eindrücklich veranschaulichen.
Lebenslügen
Lebenslügen wie «ich bin nicht wichtig», «ich bin wertlos» oder «meine Bemühungen bringen ohnehin nichts» sind verbreitet. Susanna erzählt von einem Mann, dessen Vater einen Lieblingssohn hatte, während er selbst kaum beachtet wurde. «Er nahm sich immer zurück und hatte das Gefühl, unwichtig und wertlos zu sein.» Dieser Mann hat jetzt eine Partnerin, die oft nörgelt und manches an ihm kritisiert. In diesen Momenten hat er dann wiederum das Gefühl, wertlos zu sein und nicht zu genügen. In der Folge zieht er sich zurück. Seine Partnerin wuchs in einer grossen Familie auf, wo es immer viel zu tun gab. In all der anstehenden Arbeit wurde sie oft übersehen und fühlte sich im Stich gelassen. Entsprechend reagiert sie jetzt auf ihren Partner, wenn dieser sich einfach zurückzieht: Sie hat das Gefühl, übersehen zu werden.
«Als die beiden einander die Lebenslügen, von denen sie eingenommen worden waren, erzählten, konnten sie Korrekturen vornehmen.» Die Frau nahm sich vor, nicht mehr so kritisch zu sein (in ihrer Herkunftsfamilie war dies ein üblicher Umgang), weil sie realisierte, was dies bei ihm auslöste. Und der Mann entschied, bewusst mehr Zeit mit seiner Partnerin zu verbringen – er hätte dies eigentlich auch immer gewollt, vermisste aber das Gefühl angenommen zu sein. «Die beiden sind jetzt dabei, sich dies anzutrainieren und ich bin gespannt, was sie noch zu erzählen haben.»
Der ganze Talk kann hier angesehen werden:
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Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet