Migrationsexperte Leimgruber

«Wir müssen dringend etwas unternehmen!»

Die Schweiz entscheidet heute darüber, ob sie auch in Zukunft erfolgreich sein kann. Sie muss wichtige Weichen stellen, so die Überzeugung von Walter Leimgruber, Präsident der Eidgenössischen Migrationskommission EKM.

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Flüchtlinge in Paris stehen Schlange für Zelte aus der Schweiz
Walter Leimgruber, ist Professor und Leiter des Seminars für Kulturwissenschaft und Europäische Ethnologie an der Universität Basel. Am Mittwoch (26. April 2017) sprach er auf Einladung des Forums Kirche und Wirtschaft im Stapferhaus in Lenzburg.

Probleme in der Arbeitswelt spitzen sich zu

Laut Leimgruber werden nicht nur Zehntausende Flüchtlinge ohne Ausbildung und Perspektiven in der Arbeitswelt zu einem grossen Problem werden, sondern auch rund 600'000 Menschen, die schon länger in der Schweiz wohnen und keine Berufsausbildung haben. Denn ihre Arbeitsstellen fallen immer mehr weg. Selbst auf dem Bau dürften bald ungelernte Maurer durch Roboter ersetzt werden.

Bevor er auf die Lösungsvorschläge kam, schilderte er die Geschichte der Schweizer Migranten. Viele, die auf dem elterlichen «Heimetli» keinen Platz hatten, gingen in die Reisläuferei, zogen als Handwerker in Europa herum oder emigrierten in Länder wie die USA. Selbst dort wurden Schweizer von den Migrationsbehörden auch schon als «unerwünschte Bevölkerung» bezeichnet.

Der Migrationsexperte verglich die heutige Lage mit derjenigen zur Zeit von Pestalozzi, als ein Kampf um die obligatorische Einschulung der Bauernkinder geführt werden musste. Ihre Eltern waren überzeugt, dass sie auf dem Hof gebraucht würden und dass sie zum Arbeiten keine Schule benötigten.

Eine Revolution wie zu Zeiten Pestalozzis

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Walter Leimgruber
Dass der Kampf um die obligatorische Schule gewonnen wurde, ist laut Walter Leimgruber ein entscheidender Erfolgsfaktor der Schweiz. Heute stehen wir nicht nur vor einem Heer von unqualifizierten Flüchtlingen, sondern auch vor Hunderttausenden ohne berufliche Aus- und Weiterbildung. Auch die zweite Generation der Flüchtlinge und Unqualifizierten wird zum Problem, wenn sie nicht rechtzeitig gefördert werden. Und dies bereits vor dem Kindergarten, da sie zuhause oft nicht die selbstverständliche Förderung bekommen, wie in einer normalen Schweizer Familie. Wenn Kinder von Migranten aus andern Kulturen und von Unterprivilegierten in die Schule kommen, ist es für die Integration oft zu spät. Sie werden der Gesellschaft Probleme bereiten und in der Sozialhilfe bleiben. Heute seien die Angebote für die Förderung dieser Kinder freiwillig und teuer. Die Politik sei dringend zum Handeln aufgefordert.

Ausbildungspläne und Coaching

Leimgruber schlägt einerseits ein Anerkennungs- und Qualifikationssystem vor, das Flüchtlingen die Integration ermöglicht. Ein Problem für die Integration bildet der Dschungel an zuständigen Behörden, die sich oft gegenseitig blockieren und unterschiedlichen Regelungen in den Kantonen. Migranten und Asylsuchende müssen laut Leimgruber zudem ab dem ersten Tag arbeiten und Sprach- und Kulturunterricht erhalten. Er fordert zudem Ausbildungspläne und ein Coaching für alle, die hier neu ankommen. Die Schweiz müsse sich bewusst sein, dass sie ein Migrationsland ist, das weiterhin Einwanderer brauche, um prosperieren zu können.

Nebst dem Staat seien auch die Arbeitgeber gefordert, ihre Leute, die ohne Ausbildung arbeiten, zu fördern. Leimgruber nannte dazu als positives Beispiel die Firma Fraise in Bellach SO.

Integrationsbereitschaft voraussetzen und einfordern

Auf die vom Blick publizierte Integrationsverpflichtung in 10 Punkten angesprochen, meinte Leimgruber in der Diskussion, diese seien eigentlich als selbstverständlich zu betrachten. Die Schweiz dürfe von ihren Migranten die Anerkennung ihrer Werte und Sitten verlangen. Um diese Menschen in unsere Gesellschaft einzuführen, schlägt er auch die Mitarbeit von vielen Freiwilligen, zum Beispiel Pensionierten, vor.

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Datum: 29.04.2017
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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