Barmherzigkeit vs. politisches Engagement
Letzte Möglichkeit Kirchenasyl?
Viele Kirchen und Gemeinden engagieren sich weiterhin stark für Flüchtlinge in ihrer Umgebung. Wenn der eine oder die andere keine Anerkennung erhält, steht oftmals die Frage nach einem Kirchenasyl im Raum. Aber wie sinnvoll ist es überhaupt?Kirchenasyl in Europa hat eine lange Geschichte. Doch die wenigsten Kirchen und Gemeinden stellen sich bewusst auf diese Tradition. In der Regel beginnen die Fragen danach an einem konkreten Punkt: Eine Gemeinde unterstützt eine iranische Familie. Die Familienmitglieder waren einmal Muslime, haben sich für ein Leben mit Jesus entschieden und wurden deshalb im Iran verfolgt. Sie flohen nach Deutschland und hofften auf einen Neustart. Nach einigen Monaten – die Gemeinde hat sie unterstützt, auch sprachlich sind sie längst «angekommen» – werden die Familienmitglieder zum entscheidenden Interview vorgeladen. Drei bekommen ihre Anerkennung als Asylanten, der vierte nicht. Klingt seltsam? Ja, aber gleichzeitig ist es völlig normal…
Politik oder Barmherzigkeit?
Ist die Frage nach Kirchenasyl eine politische oder geht es dabei in erster Linie um gelebte Barmherzigkeit? Tatsächlich lässt sich dies nur selten eindeutig beantworten. Zahlreiche Christen in Deutschland haben sich zu einer Bundesarbeitsgemeinschaft BAG «Asyl in der Kirche» zusammengeschlossen. Gedacht ist das Kirchenasyl für die zeitlich befristete Aufnahme von Flüchtlingen ohne legalen Aufenthaltsstatus, denen bei Abschiebung in ihr Herkunftsland Folter und Tod drohen. Oder für die Abschiebung eine besondere soziale Härte bedeuten würde. Aktuell geht die Arbeitsgemeinschaft in Deutschland von 316 Kirchenasylen mit mindestens 531 Personen aus. Da jedes Asyl gleichzeitig die Kritik an einer amtlichen Entscheidung ist, gibt es hier kein unpolitisches Vorgehen. So ist es immer wieder wegen «Missbrauch des Kirchenasyls» (Bundesinnenminister Thomas de Maizière, CDU) im Gespräch. Tatsächlich steht aber meistens die praktische Hilfeleistung für persönlich bekannte Asylbewerber im Vordergrund.Tradition oder Rechtssicherheit?
Trotz der langen christlichen Tradition des Kirchenasyls, hat dieses de facto keinen besonderen Rechtsstatus. Ein Asylsuchender könnte in einer Kirche genauso in Gewahrsam genommen werden wie in einem Privathaushalt. Die Rechtsfrage ist allerdings auch nicht das Entscheidende: Gemeinden, die Kirchenasyl gewähren, suchen in der Regel das offene Gespräch mit den zuständigen Behörden und wollen ihren entsprechenden Fall der Öffentlichkeit vorstellen. Meist wird während dieser Klärungsphase das Kirchenasyl durch die Behörden geduldet. Und tatsächlich weist die BAG «Asyl in der Kirche» darauf hin, dass diese Gespräche in über 90 Prozent der Fälle positiv für die Asylsuchenden verlaufen. Traditionell sind es eher die Landeskirchen, die in dieser Form Asyl gewähren, doch auch Freikirchen nutzen diese Form des Engagements immer häufiger.
Positive Auswirkungen, aber hoher Aufwand
Sowohl das Kirchenasyl als auch die deutlich verbesserten Möglichkeiten einer Härtefallprüfung eröffnen vielen Asylbewerbern neue Chancen auf Anerkennung. Wenn sich eine Gemeinde überlegt, einzelnen Kirchenasyl zu gewähren, müssen sich die Verantwortlichen aber bewusst machen, dass sie sich auf einen langen und anstrengenden Prozess einlassen. Sie brauchen Rechtsbeistand, müssen sich um das Beschaffen von Dokumenten wie Ausweispapieren kümmern und oft auch für Gesundheitsleistungen aufkommen, da die abgelehnten Flüchtlinge zum Beispiel nicht krankenversichert sind. Eine Checkliste kann dabei helfen, als Gemeinde eine tragfähige Entscheidung zu treffen. Manch eine Gemeinde entscheidet sich gegen dieses Engagement. Doch bei allem Aufwand, der für ein Kirchenasyl nötig ist, betonen andere: «Wir schicken niemanden weg, der Hilfe braucht».
Zur Webseite:
Asyl in der Kirche
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Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet