Dürfen Frauen predigen?

Eine peinliche Debatte der «Bibeltreuen»

Wenn es um den Dienst der Frau in der christlichen Gemeinde und Kirche geht, zeigen sich unterschiedliche Verständnisse von Bibeltreue. Und: Bibeltreu scheint für einige «Evangelikale» wichtiger zu sein als Jesus-treu. Ein Kommentar von Livenet-Redaktor Fritz Imhof.

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Joyce Meyer
Ihr Predigtentwurf sei gut, aber man müsse korrekterweise von einer Bibelarbeit reden, da ja höchst umstritten sei, ob Frauen predigen dürfen. Dieses Feedback ihres Homiletikdozenten einer bibeltreuen Ausbildungsstätte hat Antonia* regelrecht erschüttert. Sie ist sich als Journalistin gewohnt, über Fragen des Glaubens zu einem christlichen Publikum zu sprechen. Aber vor einer Gemeinde predigen? Das scheint für etliche noch ein heisses Eisen zu sein!

Zwar sind die Meinungen dazu auch unter evangelischen Christen geteilt. Theologen und Gemeindeleiter, die ihre «Bibeltreue» betonen, halten tendenziell am Predigtverbot für Frauen fest, auch wenn sie sich bewusst sind, dass ihre Gemeindeglieder sich im Fernsehen die Predigten von Joyce Meyer einziehen und in Frauenzeitschriften die Artikel profilierter Autorinnen lieben – oder den Frauenblog morethanpretty.net mitverfolgen.

Führt die Liebe zur Bibel zur Lieblosigkeit gegenüber Mitchristen?

Aufgerüttelt hat diese Konservativen die in Buchform im fontis-Verlag unter dem Titel «Yes, she can» erschienene Masterarbeit von Christian Haslebacher. Die idea-Redaktion hatte den Chrischona-Regionalleiter dazu interviewt und es als sinnvoll erachtet, dazu auch eine kritische Rezension des Buches durch einen emeritierten Professor für Praktische Theologie der STH Basel abzudrucken.

Die in der Folgenummer erschienenen Leserbriefe machten auf ihre Weise klar, dass Haslebacher «falsch» liegt. Über die Reaktionen, die darauf bei ihm eingingen, schreibt der Chrischona-Theologe in der neuesten Ausgabe von idea Spektrum unter anderem: «Als lieblos empfinde ich es, wenn mir, der ich mich seit Jahrzehnten täglich aus der Bibel nähre, aus der Distanz aufgrund einer anderen Schlussfolgerung die Liebe und Treue zur Bibel abgesprochen werden. Unangebracht finde ich so manche gehässige und sarkastische Bemerkung...».

Lieber der Bibel treu als dem Beispiel Jesu?

Der gemeinsame Nenner aller Kritiker besteht darin, dass an der bekannten Anweisung von Paulus in seinem ersten Brief an Timotheus (Die Bibel, 1. Timotheus, Kapitel 2, Vers 12-14) nicht zu rütteln sei. Da dürfen Gläubige für einmal alle Prinzipien der Bibelauslegung vergessen. Zum Beispiel den Grundsatz, dass eine Bibelstelle in den Zusammenhang des ganzen Bibelbuches, dann in den Kontext des Neuen Testaments und schliesslich der ganzen Bibel zu stellen ist. Oder dass je nach Text auch der zeitgenössische Kontext zu berücksichtigen sei. Grundsätze, welche schon in den ersten Jahren der STH Basel (der damaligen FETA Basel unter Prof. Samuel Külling, der auch die bekannte Chicagoer Erklärung zur Irrtumslosigkeit der Bibel unterzeichnet hatte) gelehrt wurden. Oder den reformatorischen Grundsatz, dass eine biblische Lehre immer an der Person von Jesus Christus gemessen werden soll. Luther sagte es so: «Was Christum treibet». Oder modern gesagt: Was würde Jesus tun?

Der Gender-Ideologie verfallen?

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Livenet-Redaktor Fritz Imhof
Lehraussagen über die Rolle der Frau in der Kirche müssen somit nicht nur alttestamentlichen Erzählungen über herausragende Frauen, sondern auch Kriterien standhalten, die Jesus im Umgang mit Frauen vorgelebt hat und von denen die Evangelien berichten. Er hat sich dabei der Kritik der Zeitgenossen ausgesetzt, weil er den patriarchalen Rollenmustern seiner Zeit getrotzt hat. Die Konsequenz daraus müsste sein, dass die bibeltreuen Christen schon lange vor der Abstimmung über das Frauenstimmrecht die Charismen der Frauen in der christlichen Gemeinde entdeckt und sie zum Segen der Gemeinde eingesetzt hätten. Und dass sie damit der sie umgebenden bürgerlich geprägten Gesellschaft vorausgegangen wären, statt ihr hintennach zu hinken. Die Pfingstbewegung in Europa und der Schweiz entstand zum Beispiel massgeblich durch die Predigt von zwei Frauen. Danach dauerte es Jahrzehnte, bis Frauen in den Gemeinden wieder predigen durften.

Dieser Konservativismus im Festhalten traditioneller biblischer oder auch gesellschaftlicher Werte hat seine Berechtigung, wo es um die zeitgeistige Relativierung des menschlichen Lebens vor der Geburt und im Alter geht. Er darf aber nicht alle Bereiche des Gemeindelebens beeinflussen. Schon gar nicht dürfte er zur Relativierung von Charismen führen, die Gott in die Gemeinde gelegt hat. Der in einem idea-Leserbrief erhobene Vorwurf, Gemeinden, die Frauen predigen und lehren lassen, seien der Gender-Ideologie verfallen, muss wohl nicht weiter kommentiert werden. 

*Name verändert

Zum Thema:
Joyce Meyer übertwittert alle: Predigerin vor CNN, BBC und den «Chicago Bulls»
Umstrittene Entscheidung: Lettische Kirche schafft Frauenordination ab 
Freikirchen: «Warum sollten Frauen nicht leiten dürfen...?»
«Ja, sie dürfen lehren und leiten»: Chrischona Schweiz ebnet Frauen den Weg auf die Kanzel

Datum: 25.07.2016
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

Kommentare

Unglaublich. Bibeltreue bzw. Konservative werden in diesem Artikel nicht nur als „lieblos“ gebrandmarkt, sie würden, so der Autor, auch „alle Prinzipien der Bibelauslegung vergessen“ – ungeheure Vorwürfe, die mit keinem Wort belegt werden. Genauso wenig die unterschwellige These, dass Jesus die moderne Linie vertreten würde. Dass hierbei Bibeltreue gegen Liebe und Treue zu Jesus als Gegensätze dargestellt werden, ist gerade absurd. Denn die Bibel lehrt nicht nur sehr eindeutig, dass Lehr- und Leitungsaufgaben Männern vorbehalten sind. Aus ihr erfahren wir auch vom (wahren) Jesus und von seinem Liebesgebot. Dagegen ist der Jesus des (jeweiligen) Zeitgeistes ein menschliches Konstrukt.
Dass der Autor dieses Beitrags ernstzunehmende Gründe für seine These nicht einmal andeutet, sondern sich darauf verlegt, seine Gegner als „lieblos“ und ihre Auffassung als „peinlich“ zu bezeichnen, zeigt, dass er sich von seinen Gefühlen leiten lässt. Oder kann mir jemand erklären, was Leute wie ihn treibt? Er meint wohl, die Frage „Was würde Jesus tun?“ würde zur von ihm bevorzugten Auffassung führen. Aber weil das NT lehrt, dass Frauen in der Gemeinde nicht lehren dürfen, ist anzunehmen, dass Jesus das lehrt. Ganz im Einklang damit, dass die zwölf Jünger, auf welche er die Gemeinde gebaut hat, alles Männer waren. Wo ist das Problem? Nehmen wir das doch einfach an und halten uns daran!
Dieser Text ist unterste Schublade, journalistisch und theologisch. Zuerst einmal die Textsorte: Soll das ein Bericht sein? Dafür hat es zu viele subjektive Elemente. Aber eindeutig als Kommentar erscheint er auch nicht. Dann der Titel: Anbiedernd an den Zeitgeist. Würde ich eher im "bref" erwarten. Natürlich kann man nicht eine theologische Lehre auf nur einer Bibelstelle abstützen. Aber es ist eben so, dass die Aussagen des Paulus in Übereinstimmung sind mit der ganzen Bibel, wie etliche vor mir bemerkt haben, und ausserdem der Praxis von 1900 Jahren Kirchengeschichte. Jesus gegen die Apostel auszuspielen ist schlechte Theologie. Wenn das der neue Evangelikalismus ist, dann
Aber bitte nicht Joyce Meyer als Bsp. bringen. Sie vertritt ein falsches Evangelium und diverse Irrlehren hinsichtlich Jesus. Dazu gibt es sehr viel Information. Generell wundere ich mich über dieses Plädoyer gegen 'Bibeltreue'. Sehr irritierend dieser Kommentar.
Ich finde es problematisch, wenn über ein theologisches Thema so einseitig geschrieben wird, wo es in diesem Artikel geschieht. Es ist nun einmal so, dass es nicht auf alle schwierigen Fragen eine einfache Antwort gibt, und da ist es doch wichtig, dass wir die andere Seite mit Liebe behandeln und sie nicht als lieblos und konservativ darzustellen. Wir alle können uns irren, was Christian Haslebacher sehr gut zum Ausdruck gebracht hat. Ich finde es extrem problematisch, wenn das Wort "bibeltreu" negativ oder ironisch gebraucht wird. Was für eine Grundlage haben wir für unseren Glauben und unsere Gemeindepraxis, wenn wir nicht an der Bibel festhalten?
1. Tim 2;12-13 ist sehr klar. Es heisst, "Ich erlaube aber einer Frau nicht zu lehren, auch nicht über den Mann zu herrschen, sondern ich will, dass sie sich in der Stille halte, denn Adam wurde zuerst gebildet, danach Eva". Wir müssen nicht nur den ersten Teil des Verses lesen, sondern auch den Zusammenhang. Es geht um die Schöpfungsordnung, Die Frau ist dem Manne unterstellt. Deswegen soll die Frau nicht vor der Gemeinde predigen, denn dann würde sie über dem Manne stehen. Wenn eine Frau jedoch unter Frauen, oder Sonntagsschule gibt, dann ist das völlig ok, da die Schöpfungsordnung berücksichtigt wird. Die Frau ist den Kindern übergeordnet und den Frauen gleich-geordnet.
Und ab wann darf dann eine Frau Kinder nicht mehr unterrichten? Laut der Bibel wäre das bei 12 - 13 jährigen Jungs (der 12 jährige Jesus im Tempel), wenn sie ihre Bar Mitzwa feiern. Ist doch einfach sehr praktisch, dass man den Frauen die Sonntagschule zuschieben kann! Sagt nicht der Epheser Brief das wir einander untergeordnet sein sollen? Meine eigene Begabung ist es zu lehren und zu predigen und ich glaube nicht, dass Gott da einen Fehler gemacht hat dabei. Ich habe es dankend angenommen.
Herr Imhof kritisiert die angebl. Missachtung des Gesamtkontextes der Bibel zur Frauenfrage. Wer diesen beachtet, muss zur Kenntnis nehmen, dass fast alle Könige Israels Männer waren, ebenso alle Schriftpropheten und auch Debora eine Ausnahme war in Zeiten, wo jeder sowieso machte, was ihn selber recht dünkte. Jesus auserwählte 12 Männer zu seinen Aposteln, die ersten sieben Diakone waren ausschliesslich Männer und auch alle Schreiber des NT ebenso Männer. Auch die Voraussetzungen für den Ältestendienst (Mann einer Frau) dürften wohl ausschliesslich Männer betreffen. Fazit: Frauen im lehrmässigen Leitungsdienst, sind in der Bibel klar die Ausnahme. Die Ausnahme nun zur Regel machen???
Ich finde es bedenklich, dass Theologen, welche die Bibel ja genau kennen sollten, nicht in der Lage sind, Grundlegende biblische Aussagen, welche über Kulturen und Traditionen hinweg, also zeitlos, Gültigkeit haben, und Argumentationen welche in eine zeitliche Situation hineingesagt wurden, nicht in der Lage sind zu differenzieren. Paulus musste in viele Situationen klären. Er hatte auch Frauen in seinem Team. Die Tätigkeiten waren dem damaligen "Frauenverständnis" angepasst, aber doch eher fortschrittlich. Jesus hatte ebenfalls ein Team von Frauen. auch seine Jünger wunderten sich oft darüber. Er hob den Stand der Frau soweit wie möglich. Dass Frauen heute predigen ist absolut in Ordnung.
Wer die Bibel kennt, stellt fest, dass alle Könige (ausser einer) Israels Männer waren, ebenfalls alle Schriftpropheten und Schreiber des AT wie des NT. Alle zwölf Apostel waren Männer inkl. Paulus. Die Qualifikationen für Älteste (u.a. "Mann einer Frau" betrafen offenbar ausschliesslich Männer. Und auch in Bezug auf überlieferte Predigten oder prophetische Worte in der Bibel, stammt das allermeiste von Männern. Es gab in der Bibel einzelne Ausnahmen und auch in der Kirchen- und Missionsgeschichte, welche Gott durchaus gebraucht und gesegnet hat. Dennoch Frauen in leitender Lehrverantwortung waren die Ausnahme. Die Ausnahme nun zur Regel machen???

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