Verdrängte Kontroverse
Gehört der Islam zur Schweiz?
Gegenüber dem Islam und den Muslimen ist eine breite Hilflosigkeit sichtbar. Gibt es einen Weg zwischen blauäugiger Willkommenskultur und reflexartiger oder systematischer Abgrenzung? Ein Kommentar von Fritz Imhof.
Die Fakten
Tatsache ist: Rund eine halbe Million Muslime aus den unterschiedlichsten Richtungen, Kulturen und Ländern leben unter uns. Sie leben und arbeiten unter uns, ein relativ kleiner Teil nimmt die Religion sehr ernst und besucht eine Moschee. Die Mehrheit lebt einen volkskirchenähnlichen traditionellen Islam oder ist sogar areligiös.
Gehören sie damit zur Schweiz? Eine Mehrheit möchte dazu gehören und nicht auffallen. Viele haben sich auch schon einbürgern lassen. Andere betonten ihre Distanz zur hiesigen Kultur und eine relativ kleine Minderheit betont den Gehorsam gegenüber Koran und Scharia. Können sie so zur Schweiz gehören?
Die Fragestellung
Wenn man die Geschichte als Kriterium nimmt, auch die Wurzeln von Religion und Kultur, gehört der Islam ganz klar nicht zur Schweiz. Muslime sind in grösserer Zahl erst in den letzten vier Jahrzehnten zu uns gestossen. Religiös und kulturell gesehen sind sie ein Fremdkörper.
Passen sie dennoch zur Schweiz? In ein Land, das stolz darauf ist, dass verschiedene Kulturen in Frieden miteinander leben können? In eine Gesellschaft mit einem hohen Toleranzbegriff, die auch stolz ist auf ihre Multikulturalität?
Die falsche Strategie
Klar ist, wir werden in den kommenden Jahrzehnten mit den Muslimen leben. Versuche, sich von ihnen abzugrenzen, die Ausbildung von Imamen zu verhindern, ihre Symbole in der Öffentlichkeit zu verbieten, sind negative Botschaften, die ein Gefühl von Isolation hervorrufen und Ghettobildungen fördern. Im schlimmsten Fall auch Extremisten unterstützen, die nicht nur verbal, sondern auch mit Bomben aufbegehren. Wer als Fremder in ein Land kommt, spürt sehr gut, ob ihm Ablehnung entgegenschlägt, oder ob er auch als Mensch willkommen geheissen wird.Menschen die «man» meidet?
Von Jesus können wir lernen, auf Menschen zuzugehen, die «man» gemeinhin meidet. Damals waren es Römer – sie waren immerhin die Besatzer –, Samariter, denn sie hatten den falschen Kult, Zolleinnehmer, denn sie waren Kollaborateure, oder Prostituierte, denn mit ihnen traf man sich nur heimlich. Alle diese Leute hat Jesus in einer Begegnung als Menschen dargestellt, mit denen man menschlich umgeht – oder sie gar als Vorbilder bezeichnet. Er hat den Sohn des römischen Besatzungskommandanten geheilt und sich vom Abzocker Zachäus einladen lassen.
Die ersten Schritte
Muslime gelten heute als Angehörige einer Religion, in deren Namen unvorstellbare Gräuel geschehen. Sie müssen mit diesem Makel leben. Auch wenn sie nicht einen salafistischen oder sonstwie extremen Hintergrund haben. In 90 Prozent der Fälle werden sie ihre Religion sehr traditionell leben und allenfalls die grossen Feste mitfeiern. Aber sie haften irgendwie mit, wenn wieder ein Terroranschlag von islamischen Extremisten verübt wird. Oder wenn die Söhne eines Imams der Lehrerin den Handschlag verweigern. Ihre Kultur, ihr Name und ihre religiöse Zugehörigkeit gehören irgendwie nicht zu uns. Aber als Menschen leben sie unter uns und leisten uns viele wertvolle Dienste. Es braucht in extremen Fällen, wo unsere Werte bewusst verletzt werden, auch ein deutliches Nein. Doch daran muss sich die Frage anschliessen, wie wir besser auf sie zugehen können, damit sie auch Schritte auf uns zu machen können. Dann erfahren auch sie, dass sie zu uns gehören dürfen.
Zum Thema:
Beste Gewaltprävention: Jugendtreff «Gutschick» erreicht 20 Nationen
Die Händedruck-Debatte: Von «theologisch erlaubt» bis «Sexualisierung der Frau»
Der verweigerte Handschlag: Eine Symbolhandlung und der Medienhype
Dschihadisten in der Schweiz: Wie ein Muslim die Extremismusgefahr sieht
Vineyard-Leiter Martin Bühlmann: «Die Flüchtlingskrise ist eine Chance»
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet
Kommentare