Gentechnik mit arger Wirkung
Aus Profitgier in die Schöpfung pfuschen
Der zunehmende Einsatz von «grüner Gentechnik» in der weltweiten Landwirtschaft hat einer neuen Studie zufolge in vielen Ländern verheerende Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft.
Grüne Gentechnik ist keine Lösung für die Welternährungskrise. Dieser Traum, dass man sagt, wir basteln uns eine Pflanze, die alles kann, was wir wollen, die mehr Ertrag hat, resistent ist gegen alle Krankheiten und Herbizide, und mit der wir wunderbar billig viel Nahrungsmittel produzieren können, dieser Traum geht nicht auf.»
Die Versprechungen von Saatgutunternehmen wie Monsanto, Bayer und Co auf höhere Erträge, eine bessere Bekämpfung des weltweiten Hungers und den reduzierten Einsatz von Pestiziden hätten sich nicht erfüllt, sagt auch die Trägerin des alternativen Nobelpreises, Vandana Shiva. «Nichts davon ist wahr», fügte sie hinzu.
Super-Unkraut
Stattdessen gebe es immer mehr «Superunkräuter», denen mit den herkömmlichen Mitteln nicht beizukommen ist, Schädlinge, die bisher keine waren und Bauern, die sich in völliger Abhängigkeit der Saatgutriesen befinden und von diesen in den wirtschaftlichen Ruin getrieben würden. Der Studie von Nichtregierungsorganisationen aus aller Welt zufolge befinden sich zwei Drittel des Weltsaatgutmarktes mittlerweile in den Händen von Monsanto.
Preise stiegen um 8‘000 Prozent
Die Auswirkungen dieser praktischen Monopolstellung zeigten sich unter anderem im Baumwollanbau in Indien, sagte Vandana Shiva. Dort kontrolliere Monsanto 95 Prozent des Saatgutmarktes mit dem Ergebnis, dass sich das Saatgut in den vergangenen zehn Jahren um über 8‘000 Prozent verteuert hat. Viele Kleinbauern müssten deshalb Kredite aufnehmen, die sie nicht bedienen können, weil die versprochenen Erträge des gentechnisch veränderten Saatguts nicht erreicht werden.
Unglaubliche Selbstmordwelle
Wegen dieser ausweglosen Schuldenspirale hätten sich in den vergangenen zwölf Jahren nach offiziellen Statistiken allein 250‘000 indische Bauern das Leben genommen, sagte die Umweltaktivistin. Weltweit sind mittlerweile 62 Prozent der Baumwolle gentechnisch verändert.
Ackerland verseucht
In Indien hat sich der Einsatz von Pestiziden gegen Pflanzenschädlinge seit dem Anbau gentechnisch veränderter Baumwolle um das 30-fache, in China um das zwölffache erhöht. Aber auch in den USA richteten die Gen-Pflanzen grossen ökonomischen Schaden an. Die Flächen, die von pestizid- und herbidzidresistenten «Superunkräutern» befallen seien, die durch Auskreuzungen entstanden sind, hätten sich in den vergangenen vier Jahren verfünffacht.
Weltweit sollen bereits 20 Millionen Hektar Ackerland von den Kräutern verseucht sein. Zur Bekämpfung habe Monsanto jetzt ein Mittel auf den Markt gebracht, das dem verpönten Entlaubungsgift «Agent Orange» gleiche, sagte Shiva.
Scharfe Kritik wird in der Studie auch an der Verknüpfung der US-Hilfsprogramme mit grüner Gentechnik geübt. Jedes Getreide oder Saatgut, das aus den USA in Entwicklungsländer geliefert wird, sei automatisch gentechnisch verändert. An die Europäer appellierte Vandana Shiva deshalb, standhaft zu bleiben und in dieses Räderwerk einzugreifen.
Ausverkauf von Ackerland
Der Agrarexperte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Clemens Dirscherl, hat sofortige politische Massnahmen gefordert um den weltweiten Ausverkauf von Ackerland zu stoppen. Das «land grabbing» könne Kleinbauern in Entwicklungsländern weiter in den Hunger treiben.
Laut Dirscherl sind die nationale Ernährungssouveränität von Völkern und damit der Frieden bedroht. Er fordert daher ein Einschreiten der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO). Nur durch ein international abgestimmtes Verhandlungsmandat der Staatengemeinschaft sei eine Übereinkunft möglich. Allein China habe in den vergangenen vier Jahren zwei Millionen Hektar Land gekauft, davon im «bettelarmen Nachbarland Laos 600‘000 Hektar».
Auch arme afrikanische Länder würden ausverkauft. Dirscherl nennt als Beispiel den Sudan, wo Südkorea fast 700‘000 Hektar und die Arabischen Emirate 380‘000 Hektar Anbaufläche für Weizen kauften. «Gleichzeitig müssen für die sudanesische Bevölkerung 3,2 Millionen Tonnen Nahrungsmittel importiert werden», so Dirscherl. Von den Eliten in den betroffenen Ländern erwarte er keine Hilfe für die Kleinbauern.
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Quelle: Livenet / epd